XX / 31. Sitzung

BVV-Report

In der 31. BVV-Sitzung wurde erneut die dringend notwendige Verkehrsberuhigung im Waldseeviertel im Rahmen einer Einwohnerfrage diskutiert. Bezirksstadträtin Fr. Schultze-Berndt stellte eine Reihe von kurzfristigen Maßnahmen vor, die zu einer Verkehrsberuhigung des durch Pendlerverkehr stark belasteten Wohngebietes mit seinen zu Stoßzeiten völlig überlasteten Straßen führen sollen. Ob diese geplanten Maßnahmen den gewünschten Erfolg bringen und zu der angestrebten Halbierung des PKW-Verkehrsaufkommens führen, was die Linksfraktion bestreitet, wird Ende des Jahres im Verkehrsausschuss ausgewertet. Auf der Grundlage dieser Evaluation sind dann ggf. weitergehende Maßnahmen, wie temporäre Poller, zu ergreifen, was die Linksfraktion in Übereinstimmung mit den betroffenen Anwohnerinnen und Anwohnern sowie der Bürger-Initiative vor Ort befürwortet. Unabhängig davon soll die Expertise der Anwohnerinnen und Anwohner im Rahmen einer Bürgerbeteiligung eingeholt werden, um den optimalen Verlauf einer geplanten Radroute von Glienicke zum S-Bahnhof Hermsdorf zu finden.

Eine weitere Einwohnerfrage betraf den positiven Haushalts-Jahresabschluss des Bezirks Reinickendorf in 2018 in Höhe von 6,6, Millionen Euro. Die Linksfraktion hatte bereits im Rahmen einer Mündlichen Anfrage in der letzten BVV-Sitzung aufgezeigt, dass dieser positive Jahresabschluss v.a. durch nicht ausgeschöpfte Ansätze in vergleichsweise sehr großer Höhe von 11,9 Mio. Euro in der Obergruppe 42 (Beamtenbesoldung, Vergütung der Tarifbeschäftigten, Honorare für freie Träger – nicht die fremdfinanzierten) zustande gekommen ist. Entsprechend verwies Bezirksbürgermeister Hr. Balzer erneut auf nicht ausgeschöpfte Personalmittel aufgrund von berlinweiten Schwierigkeiten bei der Mitarbeiterrekrutierung, auf deutlich gesunkene Kosten für Hilfen zur Erziehung und stellte zu Recht fest, dass keine Kürzungen oder Einsparungen für den positiven Jahresabschluss ursächlich gewesen sind, was korrekt ist. Felix Lederle machte darauf aufmerksam, dass erstmals alle Bezirke Berlins positiv abgeschlossen haben und hielt positiv fest, dass nur 4 von 75 Mio. Euro an Investitionsmitteln in 2018 nicht durch die Bezirke verausgabt worden sind. Die im Bezirksvergleich in Reinickendorf besonders geringe Abschöpfung der Personalmittel aus der OG 42 sieht die Linksfraktion kritisch, auch wenn dies teilweise auch mit einer unterschiedlichen, vorsichtigeren haushaltstechnischen Herangehensweise des BA Reinickendorf zusammenhängt, die im Prinzip zu begrüßen ist. Zur Wahrheit gehört freilich auch, dass der positive Abschluss in allen Bezirken mit Steuermehreinnahmen aufgrund der günstigen Konjunktur und deutlich erhöhten Zuweisungen der rot-rot-grünen Landesregierung bzw. des Abgeordnetenhauses an die Bezirke zusammenhängt. Angesichts eines erneut gestiegenen Guthabenstandes des Bezirks Reinickendorf in Höhe von mittlerweile 22,8 Mio. Euro, der dem Bezirk keine Zinsen bringt, hält die Linksfraktion eine Erhöhung der bezirklichen Investitionen für angemessen.   

Bei den Mündlichen Anfragen folgte dann der erste, wie gewöhnlich im Zusammenhang mit der AfD stehende, Eklat. Auf die Anfrage, warum die Ausschreibung für die Mieterberatung im Bezirk durch Bezirksstadtrat Hr. Maack (AfD) mit einem Zuschlag an den Heimatverein Reinickendorf endete, der bislang nicht als Akteur von Mieterberatung im Bezirk in Erscheinung getreten ist, konnte der Stadtrat keine schlüssige Antwort geben. Durch eine Ausschreibung, die in Berlin für Mieterberatungen in dieser Art einzigartig ist und besagt, dass nur tatsächlich geleistete Beratungsstunden vergütet werden können, hatte sich demnach nur dieser eine Anbieter gemeldet. Ob in diesem Zusammenhang Landes- oder Bezirksmittel verwendet werden sollen, konnte der Stadtrat ebenfalls nicht beantworten. Der Heimatverein Reinickendorf besteht erst seit etwa einem Jahr und verfolgt nach eigener Aussage das Ziel, den Heimatgedanken und die Heimatpflege zu fördern. Nirgendwo in der Satzung findet sich ein Hinweis auf Beratungsangebote. Die Linksfraktion hat eine Besprechung mit Hr. Maack zu den Kriterien der Ausschreibung und deren Ergebnis sowie der Finanzierung der Beratung für die Sitzung des Ausschusses für Stadtentwicklung am 23.5. angemeldet.

Gute Nachrichten kamen von Frau Schultze-Bernd auf Nachfrage von Deniz Seyhun: Die Fußgängerbrücke zur Humboldtinsel, die derzeit durch die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz instandgesetzt wird, soll in diesem Sommer wieder begehbar sein.

Im Weiteren konnten durch die stringente Sitzungsleitung der neuen Vorsteherin Kerstin Köppen endlich einige der aus den letzten Sitzungen liegengebliebenen Drucksachen abgearbeitet werden. Darunter allerdings auch einige Anträge der AfD und der FDP, die nach der Debatte in den Ausschüssen bereits mit den Stimmen aller anderen Fraktionen abgelehnt worden waren, so dass nicht erkennbar ist, weshalb sie erneut in der BVV, die bereits einen Berg an Drucksachen vor sich herschiebt, erneut zu besprechen waren.

Erstmals in dieser Legislaturperiode wurde in der BVV ein Antrag gegen die Stimmen der CDU verabschiedet und dann gelang dieses Kunststück gleich zweimal. Der eine diesbezügliche Antrag sieht vor, dass sich das Bezirksamt für die Einrichtung einer zentralen Stelle auf Landesebene für die landesweite Umsetzung der baulichen Barrierefreiheit an Bushaltestellen einsetzen soll. Mit dem anderen gegen die Stimmen der CDU beschlossenen Antrag wurde die Schaffung einer Übersicht aller allgemeinen Behindertenparkplätze im öffentlichen Straßenland im Bezirk auf der Website des Bezirksamtes angeregt.

Bedauerlich war hingegen die Ablehnung des Antrags mit den Stimmen von CDU und AfD, einen Flyer mit den Behindertenparkplätzen im Bezirk zu erstellen, so wie es u.a. vom Behindertenverband gefordert wurde. Damit wurde der Mediennutzung vieler v.a. ältere Menschen, die eine Übersicht auf Papier benötigen, leider nicht Rechnung getragen. Ausführliche interfraktionelle Presseerklärung hierzu s. Anlage.

Sehr unbefriedigend war die erneute Weigerung des Bezirksamtes eine Vorlage zur Kenntnisnahme als Zwischenbericht und nicht als Abschlussbericht zu deklarieren, obwohl dies eindeutig nicht dem Charakter des betreffenden Berichtes entspricht. Die VzK zu der von der BVV angeregten Barrierefreiheit für Geschäfte in Frohnau kann nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit gewesen sein, denn sie endet mit den Sätzen: „… ist es geplant, im Rahmen des Fördergebietes Aktives Zentrum Residenzstraße nach Lösungen für eine verträgliche behindertengerechte Zugänglichkeit zu den Geschäftsräumen zu suchen. Das Bezirksamt hofft dann aus diesen Erkenntnissen auch Lösungen für andere Gebiete anbieten zu können.“

Danach wurde noch ein weiteres Mal über Bürgerbeteiligung für die Flüchtlingsunterkunft auf dem Gelände der Karl-Bonhoeffer-Nervenklinik diskutiert. Die integrationspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Deniz Seyhun, wies in der Debatte darauf hin, dass die Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales im Rahmen der Amtshilfe die Unterbringung zahlreicher Geflüchteter organisiert, für die der Bezirk zuständig ist, wozu SenIAS nicht verpflichtet ist. Nicht auszudenken, was passieren würde, hätte der Bezirk diese Aufgabe allein zu erledigen. Die rechtspopulistische Argumentation des rechten Flügels der CDU um Björn Wohlert und der AfD, SenIAS hätte eine Bürgerbeteiligung zur Auswahl von Standorten für Modulare Unterkünfte für Flüchtlinge (MUFs) in Reinickendorf durchführen sollen, scheitert bereits daran, dass nicht ausreichend mögliche Standorte in Reinickendorf zur Verfügung stehen, über die alternativ hätte abgestimmt werden können. Dass die Unterbringung Geflüchteter eine gesamtstädtische Aufgabe ist, der sich der Bezirk Reinickendorf nicht entziehen kann, wird selbst von Hr. Wohlert und AfD anerkannt. Alternative, realisierbare MUF-Standorte aufzuzeigen, die über die Vorschläge von SenIAS und Bezirksamt hinausgehen, ist bislang niemandem gelungen. Bürgerbeteiligung ohne Wahlmöglichkeiten wie sie von Hr. Wohlert und der AfD gefordert wird, ist nichts anderes als „Bürgerverarsche“, weil nur so getan wird, als gäbe es Entscheidungsmöglichkeiten, obwohl diese faktisch nicht vorhanden sind. Der Bezirksbürgermeister Hr. Balzer hat aus gutem Grund ebenfalls keine Bürgerbeteiligung durchgeführt, bevor er die beiden alternativen Standortvorschläge des Bezirksamtes zu den beiden aus Sicht des BA nicht praktikablen Standortvorschlägen der Senatsverwaltung IAS an die Senatorin Elke Breitenbach geschickt hat. Wenig überraschend wird dies von Hr. Wohlert nicht kritisiert, weil die Kritik ja dann den politischen Ziehvater betreffen würde. Am Ende des monatelangen Abstimmungsprozesses zwischen Bezirk und Land sind zwei Standorte für zwei pro Bezirk zu errichtende MUFs übrig geblieben. Worüber soll nun abgestimmt werden? Die Anbiederung an und das Kuschen des rechten Flügels der CDU gegenüber dem Rechtspopulismus der AfD ist feige und schadet v.a. der CDU.

Auf den seinerzeit ohne Gegenstimmen in der BVV angenommenen Antrag der Linksfraktion, das Jobcenter Reinickendorf möge seine „Kunden“ nicht nur über die umfangreichen Pflichten, sondern auch über Rechte und hier das Recht aufklären, einen Beistand zu Terminen mit zu bringen, kam vom Jobcenter Reinickendorf die unbefriedigende Antwort, dass dies aus technischen Gründen nicht möglich bzw. zu aufwändig sei. Felix Lederle konnte jedoch die gute Nachricht überbringen, dass die Linksfraktion bei der Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales nachgehakt hat und das zuständige Fachreferat bei SenIAS mittlerweile gemeinsam mit der Regionaldirektion Berlin-Brandenburg eine Kundeninformation erarbeitet hat, in der über das Recht auf einen Beistand informiert wird. Diese Kundeninformation wurde den Geschäftsführerinnen und Geschäftsführern der 12  Jobcenter Berlins mit der Bitte zur Verfügung gestellt, sie bekannt zu machen. Somit konnte das Anliegen der BVV auf diesem Weg doch noch umgesetzt werden.