BVV-Report

29. Sitzung

22:10 Uhr schickte BVV-Vorsteher Pohl seine Kollegen mit der Aufforderung nach Hause, bis zur nächsten Sitzung nachzudenken, wie der wachsende Berg offener Drucksachen bewältigt werden solle...

Die rechnerische Bilanz von fünf Stunden:

Die BVV arbeitete zehn Drucksachen vorangegangener Sitzungen ab, beschloss zwei Dringlichkeitsanträge und die Dringlichkeit von drei weiteren, nahm über die Konsensliste (im Ältestenrat vorab vereinbart) 15 Vorlagen des Bezirksamtes (Berichte über die Erfüllung von BVV-Beschlüssen) zur Kenntnis, stimmte sechs Beschlussempfehlungen von Ausschüssen zu, überwies 16 Ersuchen und Empfehlungen in die zuständigen Ausschüsse und nahm fünf an. Für acht Drucksachen früherer Sitzungen, eine Vorlage zur Kenntnisnahme und vier Große Anfragen (GA) zu wichtigen aktuellen Themen blieb keine Zeit.

Womit hat sich unser Bezirksparlament beschäftigt?

Das Bezirksamt beantwortete mündliche Anfragen der Bezirksverordneten u.a. zu Fällen von Kindesmisshandlungen im Bezirk, zu den Zukunftsaussichten von Hertie und Woolworth in Tegel, zur personellen Sicherung des Volksentscheides und zur Behandlung der Anrufe von Bürgern im Bezirksamt.

Das Ersuchen der SPD, „Mehr Qualität für die Dorfaue in Alt-Hermsdorf I“ Drs.-Nr.: 0671/XVIII) zu sichern und dafür u.a. „Beutelspender für Hundekotbeutel nach dem Modell am Schäfersee“ aufzustellen (Pkt. 3), verleitete CDU und FDP zu ausschweifenden, geradezu genüsslichen Betrachtungen über „Hundekacke im öffentlichen Raum“, „charakterlose Hundehalter“ aber, aber, Herr FDP-Schmidt) und den Umgang mit Ordnungswidrigkeiten.

Die GA der CDU „Ausschreitungen durch Jugendliche im Bereich Tegel-City“ (Drs.-Nr.: 0785/XVIII) sowie zugeordnete Anträge der CDU und der FDP bildeten das Hauptthema der Debatte. Sprecher aller Fraktionen würdigten die konstruktive Atmosphäre einer von Jugendstadtrat Senftleben (SPD) geleiteten Beratung mit Vertretern der Fraktionen, von Trägern der Straßensozialarbeit, der Polizei und des Ordnungsamtes zur Situation in Tegel und zur Jugendarbeit im Bezirk. Bekräftigt wurde die Bereitschaft, gemeinsam nach Antworten zu suchen. Schuldzuweisungen unterblieben. Denn niemand habe ein Patentrezept, da auch die Ursachen für den „Werteverlust“ (SPD), für die „Orientierungslosigkeit“ (FDP) der Generation der heute 13- bis 18-Jährigen nicht eindeutig seien. Sind es gesellschaftliche Defekte, die Zerrüttung der Familienstrukturen, die Folgen der Alkoholwerbung (Senftleben) oder will sich die Jugend nur mal austoben (Studienrat Mazatis, SPD)? In Reinickendorf könne noch und müsse gegen gesteuert werden. Verständlich, dass sich die Geister schieden, als es um konkrete Schritte ging. Der CDU-Vorschlag, evtl. „Testkäufer als Maßnahme gegen verbotenen Alkoholmissbrauch“ (Drs.-Nr.: 0705/XVIII)einzusetzen, fand keine Mehrheit. Die CDU wünschte sich mehr Lampen in Alt-Tegel, außerdem ein stärkeres Eingreifen der Sicherheitskräfte der BVG. Der Jugendstadtrat begründete - von SPD und B90 unterstützt - sein Vorhaben, die Straßensozialarbeit personell zu stärken und dafür eingesparte Haushaltsmittel einzusetzen.

CDU-Fraktionsvorsitzender Schultze-Berndt hatte an der Beratung beim Jugendstadtrat nicht teilgenommen. Offenbar entsprach die sachliche Verständigung zu einem komplizierten Thema über Parteigrenzen hinweg - und das noch im Wahljahr! - nicht seinen Intentionen. (Die CDU, die CDU, die hat immer Recht...). Eine spontane Intervention seinerseits, und schon hatte die BVV wieder, was sie seit Monaten lähmt, den sinnlosen politischen Schlagabtausch, dieses Mal mit theatralischen Einlagen des schulpolitischen Sprechers der CDU-Fraktion.

Was auffiel: die Schulstadträtin hatte zu ihren ureigensten Themen nichts (nichts) zu sagen.

Der „Höhepunkt“:

Vier Tage vor dem Volksentscheid empfahl die BVV Reinickendorf mit den Stimmen von CDU und FDP dem Bezirksamt, „sich dafür einzusetzen, dass der Volksentscheid zum Thema 'Pro Reli' am Tag der Wahl zum Europäischen Parlament stattfindet“. Den gut gemeinten Vorschlag von B90 lehnte die CDU ab, ihren bereits im Februar gestellten, dreimal vertagten Antrag einfach „als erledigt“ zurückzuziehen. Die Grauen waren vor der Abstimmung gegangen...

Friedrich Wilhelm