Bürgerbeteiligung und Transparenz bei Bauprojekten in Reinickendorf

Drucksache - 3439/XX

 

Kleine Anfrage der Linksfraktion

Sachverhalt:

„Ich frage das Bezirksamt:

Mit der Senatsvorlage-Nr. S-312/2017 wurde die Erarbeitung von Leitlinien für eine

transparentere Bürgerinnen- und Bürgerbeteiligung zu Projekten und Prozessen der

räumlichen Stadtentwicklung in Berlin beschlossen. Als übergeordnetes Ziel wird u. a.

genannt, mehr Transparenz für Bürgerinnen und Bürger herzustellen und

Verbindlichkeit zu schaffen bei Planungen des Landes Berlin und der 12 Bezirke. Der

Kernsatz in diesem Zusammenhang lautet: "Die nicht gesetzlich geregelten Formen der

Beteiligung sollen neben den gesetzlich vorgeschriebenen, formellen Formen

ausgebaut werden".

Die formellen Formen der Bürgerbeteiligung sind u. a. im Baugesetzbuch geregelt.

Frage 1:

Wann hat der Bezirk die hierfür zugewiesenen Mittel in Höhe von 250.000 Euro

erhalten?

Frage 2:

Für welche Beteiligungsprojekte (Vorhabenliste), mit welchem zusätzlichen Personal in

der "Anlaufstelle des Bezirkes" wurden/werden diese Mittel verwendet?

Frage 3:

Wann ist der sogenannte Beteiligungsbeirat konstituiert worden?

Frage 4:

Wann und wie ist diese neue Form der Bürgerbeteiligung bekannt gemacht worden (z.

B. Webseite des Bezirksamtes)?

Frage 5:

Gab es bereits gemeinsame Gespräche zur Umsetzung dieser Leitlinien mit der

federführenden Senatsverwaltung und was sind die Ergebnisse?

Frage 6:

Im Sinne der Transparenz von Planungsabläufen, wird um Angabe gebeten, wie lange

im Bezirk Bebauungsplanverfahren vom Aufstellungsbeschluss bis zur Festsetzung

benötigen: Hier bitte nicht nur den Durchschnittswert mitteilen, sondern exemplarisch

auch das Verfahren mit der kürzesten und das Verfahren mit der längsten

Bearbeitungszeit vom Aufstellungsbeschluss bis zur Festsetzung.

Frage 7:

Welche, wann eingeleiteten Bebauungsplanverfahren des Bezirkes sind noch nicht

abgeschlossen und weshalb nicht? Bitte hier nicht nur die Plan- und

Grundstücksbezeichnung und den Planinhalt systematisch auflisten, sondern auch die

Planzeichnung zur Verfügung stellen, die für die frühzeitige Bürgerbeteiligung bereits

vorhanden sein müsste.

Frage 8:

Wie wird das Bezirksamt über das in Planung befindliche Kurt-Schumacher-Quartier

informieren insbesondere im Hinblick auf Anwohnerinnen und Anwohner sowie

zuzugswillige Bürgerinnen und Bürger oder ist das Bezirksamt der Auffassung, dass

ausschließlich der Senat hier eine Informationspflicht hat?

Frage 9:

Der Bezirk ist bei der Durchführung der verbindlichen Bauleitplanung- Bebauungspläne- für das vorgenannte Projekt von gesamtstädtebaulicher Bedeutung nicht Akteur,

sondern nur im Verfahren Beteiligter als Träger öffentlicher Belange. Welche

bezirklichen Belange sind dies aus Sicht des Bezirksamts und wann und wie wird das

Bezirksamt die BVV und die Bevölkerung im Sinne der o. g. Leitlinien darüber

informieren?

Frage 10:

Welche Informationen liegen dem Bezirksamt bezüglich der Zeitschiene zur

Realisierung des Schumacher-Quartiers vor?“

 

 

Die Kleine Anfrage wird wie folgt beantwortet:

Zur Frage 1:

Im Jahr 2021 wurden dem Bezirk mit Schreiben vom 19.01.2021 die Mittel in Höhe von 250.000 Euro durch die Senatsverwaltung zur Verwendung in auftragsweiser Bewirtschaftung übertragen.

Zur Frage 2:

Nachdem die im vergangenen Jahr bereitgestellten Mittel für die Einrichtung und die Unterhaltung der Anlaufstelle, zur Beauftragung eines Trägers sowie zur Beauftragung eines Dienstleisters, der die externe Moderation zur Umsetzung der Leitlinien in der Verwaltung betreut, verwendet wurden, liegt in diesem Jahr die Hauptaufgabe darin, die neu etablierte „AG Beteiligung“, die fachübergreifend an der Umsetzung der „Leitlinien für Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern an der räumlichen Stadtentwicklung“ (LLBB) in Reinickendorf arbeitet, zu betreuen. Die Erstellung der Vorhabenliste gehört außerdem zu seinen Aufgaben.

Zur Frage 3:

Der Beteiligungsbeirat ist im Bezirk noch nicht konstituiert worden. Die Umsetzung der Leitlinien innerhalb der Verwaltung mithilfe externer Begleitung wurde der Schaffung des Beirats vorgelagert, um die Verankerung der Leitlinien in den Arbeitsabläufen der Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter zu gewährleisten. Die dazu eingerichtete „AG Beteiligung“ erarbeitet ämterübergreifend ein bezirkseigenes Umsetzungskonzept, in welchem die Instrumente der Leitlinien behandelt werden. Nach Abschluss des Umsetzungskonzeptes wird ein BA-Beschluss dazu angestrebt.

Zur Frage 4:

Am 23.06. wurde das Büro in der Scharnweberstraße 55a digital eröffnet (siehe Pressemitteilung 9763).

Die Mitteilung wurde von mehreren Zeitungen aufgegriffen. Außerdem ist das Büro auf den Bezirksamtsseiten vertreten. Die offizielle Eröffnung vor Ort mit Publikumsverkehr findet am 16.09. zwischen 14 und 18 Uhr statt.

Die offizielle Website der Anlaufstelle ist https://www.mein-reinickendorf.de/.

Außerdem wird das Büro über einen Flyer im Stadtgebiet bekannt gemacht.

Zur Frage 5:

Die zentrale Anlaufstelle für die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern wird aktuell in der Torstraße eingerichtet und die Betreiber haben bisher eine Vernetzungsveranstaltung mit allen Anlaufstellen durchgeführt. Die Bezirke sind in der Umsetzung verschieden weit fortgeschritten und konnten sich darüber austauschen. Als nächstes gemeinsames Projekt soll in der Vernetzung der BAB (bezirkliche Anlaufstellen) ein gemeinsames Markendesign erstellt werden. Die Anlaufstelle Reinickendorf ist in Kürze beim zentralen Beteiligungsbeirat eingeladen, um dort ihr Vorgehen vorzustellen, da Reinickendorf in der Umsetzung weiter ist als andere Bezirke.

Zur Frage 6:

Die Beantwortung dieser Frage ist nicht vollumfänglich möglich.

Bebauungspläne werden im Bezirk seit den 1950er Jahren durchgeführt. Es existiert keine Statistik über die Verfahrensdauer. Diese hängt natürlich von der Komplexität der Inhalte und von der Größe des Geltungsbereichs eines Bebauungsplanes ab. Darüber hinaus werden Bebauungspläne aufgrund begrenzter personeller Kapazitäten nach Priorität des städtebaulichen Erfordernisses bearbeitet.

Grundsätzlich hat sich die tatsächliche Bearbeitungszeit in den letzten 10 Jahren sukzessive erhöht, was auf die gestiegenen Anforderungen an das Bebauungsplanverfahren durch gesetzliche Vorgaben zurückzuführen ist. Insbesondere die Belange von Natur und Umwelt, welche im Baugesetzbuch verankert wurden, sind heute intensiver zu prüfen und abzuwägen. Entsprechende Gutachten, z.B. für Altlasten, Artenschutz, Emissionen und Regenentwässerung sind in der Regel im Rahmen des Bebauungsplanverfahrens durchzuführen und fachlich abzustimmen.

Seit 2014 ist mit der wachsenden Stadt zusätzlich das Berliner Modell der kooperativen Baulandentwicklung bei Bebauungsplänen mit Schwerpunkt Wohnungsbau zu berücksichtigen. Dies schließt die Verhandlung und den Abschluss städtebaulicher Verträge mit den Vorhabenträgern begleitend zum Bebauungsplanverfahren ein. Die Folgewirkungen für die soziale Infrastruktur, den Verkehr und die Grünflächen sind in diesem Zusammenhang mit den Fachämtern abzustimmen. Durch diese Komplexität des Verfahrens liegt die reine Bearbeitungszeit heute bei 3-5 Jahren. Durch Grundstücksverkäufe und/oder Wechsel des Vorhabenträgers während eines Bebauungsplanverfahrens können zusätzliche Bearbeitungspausen entstehen.

Zur Frage 7:

Die Beantwortung dieser Frage ist nicht leistbar. Es sind mehr als 50 Bebauungspläne im Verfahren. Eine Vielzahl von Bebauungsplanverfahren wird aus Kapazitätsgründen bzw. aufgrund der erforderlichen Priorisierung aktuell nicht bearbeitet. Es existiert keine Statistik. Ältere Bebauungsplanverfahren sind nicht digital abrufbar. Der Aufwand, eine Recherche für sämtliche Verfahren durchzuführen, kann mit den vorhandenen personellen Ressourcen nicht bewältigt werden und würde wertvolle Arbeitskapazitäten binden, die für die Bearbeitung dringlicher Verfahrensschritte dann fehlen würden.

Zur Frage 8:

Die Durchführung der Bürgerbeteiligung im Rahmen der Bebauungsplanverfahren obliegt der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen, welche die Verfahren durchführt. Für den Bebauungsplan 12-62 hat die frühzeitige Bürgerbeteiligung gem. § 3 Abs. 1 bereits stattgefunden. Der Bebauungsplan sowie die Begründung wurden dabei nicht nur in den Räumlichkeiten der Senatsverwaltung, sondern auch im Rathaus Reinickendorf zur Information ausgelegt. Für Fragen oder Anregungen waren die Kolleginnen und Kollegen der Senatsverwaltung zuständig. Diese Vorgehensweise wird auch für die weiteren Beteiligungen angestrebt.

Abgesehen von den im Bebauungsplanverfahren vorgeschriebenen Beteiligungsschritten hält das Bezirksamt eine Information für alle interessierten Bürgerinnen und Bürger zum zukünftigen Wohngebiet auf dem Standort für sinnvoll und erforderlich.

Entsprechend der Leitlinien für Bürgerbeteiligung ist hierfür gemeinsam mit der Senatsverwaltung ein Konzept zu erarbeiten und der richtige Zeitpunkt zu wählen. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die bauliche Entwicklung des Schumacher Quartiers erst in einigen Jahren beginnen wird.

Zur Frage 9:

Im Rahmen der frühzeitigen Behördenbeteiligung (November 2018) wurden in der bezirklichen Stellungnahme folgende wesentliche Belange benannt:

  • Erhalt der bestehenden Sportanlagen am Uranusweg
  • Prüfung der baulichen Dichten insbesondere im Hinblick auf gesunde Wohnverhältnisse sowie klimawirksame Begrünung und Regenentwässerung
  • Reduzierung der Anzahl der Vollgeschosse in einigen Bereichen
  • Forderung weiterer Grünfestsetzungen / Ausgleichsmaßnahmen
  • Fehlende Konfliktbewältigung im Hinblick auf das nördlich angrenzende Gewerbegebiet
  • Überarbeitung der Kerngebiete im Hinblick auf Straßenführung, Unterbringung eines Möbelmarktes, Zulassung von Wettbüros, Spielhallen, Sex-Shops und Bordellen, Verortung von Wohnnutzungen
  • Erhalt des Park+Ride-Parkplatzes an der Scharnweberstraße

Im Schumacher Quartier sollen zukünftig über 5000 Wohnungen entstehen. Damit ist es für Reinickendorf und Berlin ein besonderes Wohnungsentwicklungsgebiet, welches sich in die Stadt integrieren muss. Aus diesem Grunde ist es besonders wichtig, dass die Anbindung an den Bezirk Reinickendorf gelingt. In diesem Zusammenhang wurde für die Umgebung des ehemaligen Flughafengebietes das Förderprogramm Nachhaltige Erneuerung TXL aufgelegt. Mittels dieses Förderprogrammes sollen die Verknüpfungspunkte und die Schaffung von notwendiger Infrastruktur erfolgen. Derzeit gibt es konkrete Planungen für den Bereich des Flughafensees, für die Weiterentwicklung des Kurt-Schumacher-Platzes und für den Bau eines Jugend- und Familienzentrums in der Auguste-Viktoria-Allee. Weitere infrastrukturelle Maßnahmen wurden im ISEK in das Förderprogramm aufgenommen.

Im Rahmen eines Jour Fixes ist der Bezirk dauerhaft im Planungsprozess für die Nachnutzung des Flughafens eingebunden.

Zur Frage 10:

Derzeit gibt es nur eine grobe Zeitplanung. Die Bebauung ist in mehreren Bauabschnitten geplant. Der 1. Bauabschnitt soll sich parallel zum Kurt-Schumacher-Damm entwickeln. Hierfür ist ein Realisierungszeitraum von 2022 bis 2029 vorgesehen. Parallel zum 1. Bauabschnitt soll auch der Bildungscampus errichtet werden. Hier wird ein Realisierungszeitraum bis 2028 angestrebt.