Die 26. BVV-Sitzung hatte eine Reihe emotionaler Momente. Leider gelang es erneut nicht, den Berg an offenen Drucksachen aus den letzten Sitzungen abzuarbeiten. Der erste emotionale Höhepunkt war die Verabschiedung der langjährigen Leiterin des BVV-Büros, Frau Bozic, die in die Senatsverwaltung von Senatorin Breitenbach (LINKE.) wechselt und stehenden Applaus des gesamten Hauses für ihre in den letzten 16 Jahren geleistete Arbeit erhielt.

Danach erfolgte wieder einmal ein durch die AfD verursachter Aufreger, der erneut viel Zeit kostete. Diesmal bezichtigte der Fraktionsvorsitzende der AfD den SPD-Verordneten Koch der Fehlzitation einer so oder so skandalösen u.a. gegen die stellv. BVV-Vorsteherin gerichteten Aussage. Wie im Monat zuvor, als Herr Wiedenhaupt den BVV-Vorsteher anging, musste die Sitzung unterbrochen werden, um die Sache vorerst zu klären. Die Blockade der Kommunalpolitik durch rechtsaußen hat schon seit Monaten System: Durch gezielte Provokationen der AfD wird die kommunalpolitische Arbeit der BVV gelähmt.

Nach der halbstündigen Unterbrechung ging es endlich zur Einwohnerfragestunde. Die emotionalste Diskussion entstand zur Sanierung der Feuerwache Tegel. Stadtrat Maack (AfD) und Bezirksbürgermeister Balzer (CDU) holten zum Rundumschlag gegen den Senat aus und mutmaßten eine fehlende Begründung, was Raum für parteipolitische Spekulationen rund um die Entscheidung lässt. Vergessen wurde dabei allerdings, dass die Feuerwache schon unter schwarz-rot hätte saniert werden müssen und dass es unklar war, ob die verfallenden Mittel in Tegel noch dieses Jahr verwendet werden können.

Erwartungsgemäß hitzig wurde es bei den mündlichen Anfragen, in denen Stadträtin Schultze Berndt (CDU) sich auf Nachfrage von gleich drei Fraktionen für ihre überraschende Weigerung rechtfertigen musste, den Rahmenvertrag mit der HoWoGe im Rahmen der Schulbau- und Schulsanierungsoffensive des Senats zu unterzeichnen. Die Stadträtin ignorierte das Konstrukt der abzuschließenden Erbbaupachtverträge, das es explizit unmöglich macht, dass die Schulen nicht im öffentlichen Besitz bleiben und dies selbst im Falle einer Pleite oder einer Privatisierung der HoWoGe durch eine zukünftige Landesregierung und äußerte sich nur diffus zu möglichen Risiken. Die Nachfrage, wie sie denn unter den Bedingungen der demnächst geltenden Schuldenbremse und angesichts des gewaltigen Schulsanierungsstaus in Berlin und des Bedarfs für neue Schulen aufgrund der Bevölkerungsentwicklung Berlins die Finanzierung der mindestens 5,5, Mrd. Euro teuren Schulbauoffensive, inklusive des aktuell anstehenden 10 Mio. Euro Projekts für das Friedrich-Engels-Gymnasium, stemmen will antwortete sie sinngemäß lapidar und nichtsagend, dass der Bezirk das Geld vom Land bekommen solle. Dass der Bezirk gegenwärtig Schwierigkeiten hat, die Mittel für aktuelle Bauprojekte voll abzurufen und die berlinweit mindestens notwendigen 5,5, Mrd. Euro für die Schulbauoffensive nicht aus dem laufenden Landeshaushalt finanziert werden können, kam ihr nicht in den Sinn, ganz nach dem Motto: „Der Strom kommt aus der Steckdose.“ Bezirksbürgermeister Balzer ruderte im Anschluss etwas zurück und bekräftigte, dass eine Lösung gewünscht würde. Reinickendorf sei keine Ausnahme, auch andere Bezirke möchten den Vertragsdetails noch diskutieren. Diese Aussage ist zwar korrekt und die Kompromissbereitschaft des Bezirksbürgermeisters verantwortungsbewusst, aber grundsätzliche Bedenken wurden im RdB nur aus Reinickendorf geäußert.

Das Thema Obdachlosigkeit ist dem Bezirksamt anscheinend etwas unangenehm und zu heikel für das Laufpublikum im Rathaus. Warum sonst sollte die diesbezügliche Ausstellung „Die Welt der anderen“ nicht im Rathaus gezeigt werden? Die angegebenen Personalprobleme können es jedenfalls nicht sein, denn die Reinickendorfer LINKE. wird es mit noch wesentlich weniger Personal schaffen, die verdienstvolle und künstlerisch wertvolle von Aladin Bedürftigen-Hilfe e.V. ermöglichte Ausstellung ab Januar 2019 in ihrer Geschäftsstelle auszustellen und wie sagten schon die alten Römer zu der Frage, was bildende Kunst sei: “De gustibus non est disputandum“ bzw. „Über Geschmack lässt sich nicht streiten“.

Erfreulicherweise ist aber der Antrag der Linksfraktion mit den Stimmen aller Fraktionen beschlossen worden, der das Bezirksamt auffordert, Räumlichkeiten für die Montage von „Little Homes“ für Obdachlose zur Verfügung zu stellen.

Beschlossen wurde seltsamerweise auch ein aus Sicht der Linksfraktion sinnloser Antrag der AfD mit erneuter freundlicher Unterstützung der CDU. Im Antrag wird gefordert, dass keine weiteren Kleingärten für große Wohnungsprojekte geopfert werden sollten. Die Linksfraktion hat das Thema schon lange im Blick und durch zwei Kleine Anfragen vom Bezirksamt erfahren, dass es keinerlei Gefährdungssituation für Kleingärten in Reinickendorf gibt (und anders als im Ursprungstext behauptet, auch in der Vergangenheit keine Vernichtung von Kleingartenanlagen stattgefunden hat). R2G hat die Kleingärten ohnehin bis 2030 berlinweit gesichert. Wieder einmal baut die AfD einen wahrheitswidrig einen Popanz auf, um Menschen zu verunsichern und verängstigen und sich als Retter in der Not aufzuspielen. Diesen anti-aufklärerischen Politikstil lehnt die Linksfraktion aus grundsätzlichen demokratietheoretischen Gründen ab. Nach derselben Logik könnte die BVV mit den Stimmen von CDU und AfD demnächst auch ohne sachlichen Grund und Anlass das Bezirksamt auffordern, einen (selbstverständlich nicht geplanten!) Abriss des Rathauses nicht zuzulassen…

Einen Dämpfer gab es hinsichtlich des Umgangs mit dem in der BVV beschlossenen Antrag der Linksfraktion, die Bushaltestelle Sagritzer Weg im Märkischen Viertel zu reaktivieren, damit mobilitätseingeschränkte Menschen die für sie vorgesehenen Angebote des Stadtteilzentrums wahrnehmen können. Die Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klima hält – laut Vorlage zur Kenntnisnahme – über 200 Meter Fußweg für mobilitätseingeschränkte Menschen für zumutbar! Das sieht die Linksfraktion absolut nicht so und hält diese Entscheidung für sehr unbefriedigend und sachlich falsch. SenUVK fehlt es offenbar an Bewusstsein dafür, die Bedarfe für Menschen mit Behinderung und für die älter werdende Gesellschaft mitzudenken.

Die Linksfraktion dankt dem Bezirksamt, ihren in der BVV beschlossenen Antrag zur Sicherung des Grundstückes des ehemaligen Collège Voltaire für den Eigenbedarf der wachsenden Stadt zu sichern, umgesetzt zu haben. Das Grundstück steht nun dem Bezirk zur Verfügung, um z.B. eine weitere Schule zu bauen.

Ebenso begrüßenswert ist die Tatsache, dass die Rollbergesiedlung endlich ein Quartiersmanagement bekommt. R2G hatte das Projekt angestoßen, weil soziale Indikatoren in diesem Gebiet sich zusehends verschlechterten. Am Ende waren alle Fraktionen einverstanden.

Dies sind aber nur Lichtblicke. Zum Ende der Sitzung wurde die Linksfraktion wieder auf den frustrierenden Boden der Tatsachen zurückgeholt. Denn erneut konnte die Große Anfrage zur Umsetzung der Mieterberatung im Rahmen des Bündnisses für Wohnungsbau und Mieterberatung nicht behandelt werden. So bestand in diesem Jahr nicht einmal die Möglichkeit, zu erfahren und öffentlich zu diskutieren, warum der Bezirk in Verantwortung von Hr. Maack (AfD) Landesmittel in Höhe von dem Vernehmen nach 95.500 Euro und Bezirksmittel in Höhe von 15.000 Euro für Mieterberatung im Bezirk nicht abgerufen hat. Doch als ob das noch nicht genug wäre, lehnten CDU und AfD in der letzten Abstimmung des Jahres einen Dringlichkeitsantrag der Linksfraktion ab, der zum Ziel hatte, einen Teil der nicht abgerufenen bezirklichen Mittel umzuwidmen und für einen anderen sinnvollen, sozialen Zweck zur Verfügung zu stellen. Vorgeschlagen war in Rücksprache mit dem Bezirksstadtrat Hr. Dollase, hiermit die Ausstattung von Jugendfreizeiteinrichtungen zu verbessern. Es ist eine wenig weihnachtliche und völlig unverständliche Aktion, ohne Debatte hierzu Mittel statt dessen lieber verfallen zu lassen. Ein vor vielen Monaten eingereichter anderer Antrag der Linksfraktion einen Teil der nicht abgerufenen Landesmittel für eine Informationsveranstaltung zum ersten Milieuschutzgebiet zu verwenden, befindet sich im parlamentarischen Verfahren und kommt nun zumindest für dieses Haushaltsjahr ebenfalls zu spät.