XX / 42. Sitzung

BVV-Report

Protest Für Pop-up-Radwege

Die letzte Sitzung vor der Sommerpause fand Corona-bedingt erneut unter strengen Hygienemaßnahmen im Ernst-Reuter-Saal statt. Davor hatten sich bereits Demonstranten auf dem Vorplatz eingefunden, die gegen die Blockadehaltung des Bezirksamts gegen Pop-Up-Radwege protestierten. Einige Tage zuvor wurde durch ein breites Bündnis unter Beteiligung der Linksfraktion ein offener Brief an Bezirksstadträtin Schultze-Berndt verfasst, in dem die Benachteiligung der Interessen von Fahrradfahrern in Reinickendorf scharf kritisiert wurde. In der verkürzten BVV-Sitzung wurden die entsprechenden BVV-Anträge von Linksfraktion und Bündnis 90/Die Grünen leider nicht behandelt.

Bürgerantrag für bessere Schulreinigung

Ausgiebig, intensiv und kontrovers wurde dafür der erfolgreiche Einwohnerantrag der Initiative „Schule-in-Not“ diskutiert. Die Initiative hat in allen Berliner Bezirken Unterschriften für Anträge gesammelt und eingebracht, die eine Rekommunalisierung der Schulreinigung fordern, um den eklatanten Missständen in diesem Bereich entgegenzuwirken. Die Linksfraktion unterstützt dieses Anliegen ausdrücklich und bedankt sich für das große Engagement, durch das 1800 Unterschriften in Reinickendorf für den Bürgerantrag zusammenkamen.

Der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion, Felix Lederle, betonte in seiner Rede, dass die Problematik zwei Dimensionen habe. Einerseits die verbesserungswürdige Qualität der Reinigung der Schulen und insbesondere ihren sanitären Einrichtungen und zum anderen die oftmals schlechten Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte. Dies wurde im vergangenen Jahr besonders deutlich, als in Reinickendorf ein Fall von Schwarzarbeit und menschenverachtender Arbeitsausbeutung bei dem Subunternehmen einer Reinigungsfirma bekannt wurde, die das Bezirksamt mit der Reinigung von Schulen und anderen öffentlichen Gebäuden beauftragt hatte. Felix Lederle wies allerdings darauf hin, dass die Bezirke die Rekommunalisierung nicht alleine stemmen können und sprach sich für eine Lösung auf Landesebene aus, bei der die Bezirke miteinbezogen werden sollten. Auf Bezirksebene zeichnet sich aufgrund des Widerstands von CDU, FDP und AfD keine Mehrheit in der BVV für eine Rekommunalisierung der Schulreinigung ab. Das Bezirksamt argumentiert, dass die Sauberkeit der Toiletten in Reinickendorfer Schulen ohnehin nicht zu beanstanden sei und im Falle einer Rekommunalisierung ein höherer Krankenstand von Reinigungskräften mit damit einhergehenden größeren Kosten zu erwarten sei. Richtig ist sicherlich, dass es sich Reinigungskräfte unter den gegebenen Arbeitsbedingungen zweimal überlegen müssen, ob sie sich trotz Krankheit krankmelden und richtig ist auch, dass eine Rekommunalisierung zusätzliche Mittel erfordert, die aus Sicht der Linksfraktion trotz der Corona-Folgekosten noch in der laufenden Legislaturperiode auf Landesebene zur Verfügung gestellt werden müssen.

Einwohnerfragestunde: Bebauung in der Cité Guynemer

Ein Einwohner der Cité Guynemer beschwerte sich darüber, dass Bezirksbürgermeister Herr Balzer ihm keine Auskunft mehr erteilen wollte, weil dieser die Kommunikation mit ihm den anderen Fraktionen zukommen ließ. Felix Lederle zeigte Unverständnis für diese Argumentation des Bezirksbürgermeisters und bezeichnete es als normalen Vorgang, Informationen aus der Kommunikation mit einem Bezirksbürgermeister mit anderen zu teilen und auszuwerten und argumentierte, dass nach dieser Logik keine Gespräche des Bezirksbürgermeisters mit VertreterInnen von Vereinen, Unternehmen, Verbänden usw. mehr geführt werden dürften, was selbstverständlich hochgradig unsinnig wäre. Im konkreten Fall hatte das Bezirksamt 18 Jahre lang die Auskunft erteilt, das Flurstück 603 wäre eine Grünfläche und würde nicht bebaut. Dass die rechtlich nicht zu beanstandende Kurskorrektur des Bezirksamtes in dieser Sache, die nun doch zu einer Bebauung führt, den Anwohnern nicht mitgeteilt worden war und den Anwohnern zudem nicht mitgeteilt wurde, dass der vorliegende Bebauungsplan nicht mehr angewandt wird, hat vor Ort Unmut ausgelöst. Nachdem  Herr Balzer dies im Ausschuss bereits bedauert und Kommunikationsdefizite eingeräumt hatte, war die aktuelle Kommunikationsverweigerung umso unverständlicher. Die konkrete Frage im Rahmen der Einwohnerfragestunde, wann genau sich der Sinneswandel des Bezirksamtes im Umgang mit dem Flurstück vollzogen hat, ließ Herr Balzer erneut unbeantwortet. Felix Lederle bezeichnete den Vorgang insgesamt vor diesem Hintergrund als „Negativbeispiel für Kommunikation zwischen Bürgern und institutionalisierter Politik.“

Einwohnerfragestunde: Amtshilfe der Bundeswehr im Gesundheitsamt

Die zweite Einwohnerfrage befasste sich mit der Amtshilfe der Bundeswehr im Reinickendorfer Gesundheitsamt. Der zuständige Bezirksstadtrat Herr Brockhausen, der dem Amtshilfeersuchen zugestimmt hatte, hieß den Inlandseinsatz als Unterstützung für seine Behörde mit der Begründung willkommen, dass nun Mitarbeiter Überstunden abbauen können. Felix Lederle nutzte in seiner Rede die Gelegenheit, den Mitarbeiter*innen des Gesundheitsamtes zu danken. Für das Amtshilfeersuchen zum gegenwärtigen Zeitpunkt hat die Linksfraktion allerdings keinerlei Verständnis, wie Felix Lederle ausführte: „Auch in Reinickendorf war zwar die Personaldecke zeitweise ausgedünnt, aber der Anteil derjenigen, die im Dienst waren, war deutlich größer als in anderen Bezirken und das Bezirksamt jederzeit handlungsfähig, was Anerkennung verdient und in der aktuellen Situation gibt es keinen personellen Engpass im Gesundheitsamt, was auch der zuständige Stadtrat nicht bestreitet.“ Der Einsatz der Bundeswehr im Inneren sei jedoch nur in absoluten Notsituationen und Ausnahmefällen legitim und ein solcher liegt hier offensichtlich nicht vor: „Für die Entscheidung, Ende Mai die Amtshilfe zu beantragen, wo das Gesundheitsamt in Reinickendorf nach allgemeiner Einschätzung nicht überlastet ist und die Infektionszahlen sich erfreulich positiv entwickelten, haben wir kein Verständnis. Wir halten die Entscheidung für falsch, weil aus unserer Sicht ohne Not bei einem zu recht sensiblen Thema Grenzen verschoben werden und im Übrigen die ebenfalls knappen personellen Ressourcen der Bundeswehr mit medizinischem Fachpersonal an anderem Ort wie z.B. dem aktuellen Corona-Hotspot in Göttingen sicherlich dringender gebraucht werden.“ Leider schloss sich keine der anderen Fraktionen dieser Position der Linksfraktion an, auch wenn andere Bezirke auf das Amtshilfeersuchen bewusst verzichtet hatten.

Mündliche Anfragen

Im Zuge einer mündlichen Anfrage der FDP-Fraktion zum zeitweisen Aussetzen von Einbürgerungen während der Pandemie geriet AfD-Bezirksstadtrat Herr Maack ins Kreuzfeuer der Kritik aller Fraktionen, weil er nicht annähernd plausibel darlegen konnte, warum keine Termine für Einbürgerungsangelegenheiten stattfanden, nachdem die Bürgerämter bereits wieder den Betrieb aufgenommen hatten. Die Tatsache, dass für diesen Bereich erst Ende Mai Schutzscheiben aus Plexiglas bestellt wurden und der Stadtrat keine Zahlen nennen konnte, wie viele Einbürgerungsanträge unbearbeitet geblieben sind, sorgte zusätzlich für einen schlechten Beigeschmack.

Im Zuge der Beantwortung der Mündlichen Anfrage von Marion Kheir nach den Verzögerungen bei der Schulhoferweiterung der bereits um 70 SchülerInnen gewachsenen „Schule am Park“ musste Bezirksstadtrat Herr Dollase einräumen, dass noch eine Reihe von Fragen mit Anwohnern zu klären seien, stellte aber in Aussicht, bereits in der Folgewoche ein weiteres Gespräch vor Ort zu führen und das Thema mit Nachdruck zu bearbeiten. Zwar lässt sich aktuell leider noch nichts Verbindliches zum Zeitpunkt der Fertigstellung sagen, aber offenbar ist durch die Frage und das Agieren des Stadtrats erfreulicherweise wieder Schwung in den Prozess gekommen. Dies ist wichtig, da die betreffenden SchülerInnen einen besonders großen Bewegungs- und Betätigungsdrang haben und auch im neuen Schuljahr aus epidemiologischen Gründen Abstände einzuhalten sein werden und dies bei deutlich mehr SchülerInnen auf gleich gebliebener Schulhoffläche alles andere als einfach sein wird.