XX / 43. Sitzung

BVV-Report

In der 43. BVV-Sitzung lagen zwölf Dringlichkeitsanträge - jedoch lediglich zwei Einwohnerfragen - vor. Eine der Einwohnerfragen bezog sich auf Verzögerungen beim Bau des Neuen Tegel-Centers. In Vertretung für Bezirksbürgermeister Herr Balzer erklärte Stadtrat Herr Brockhausen, dass – anders als vom Investor Herrn Huth in der Presse behauptet - keine baulichen Verzögerungen durch die Bauaufsicht des Bezirksamts verursacht worden sind.

Im Zuge der mündlichen Anfragen fragte Marion Kheir den Stadtrat Herrn Dollase, ob der Weiterbetrieb des Schullandheims Walter May gesichert sei. Der Bezirksstadtrat Antwortete, dass einer Stundungsanfrage des Schullandheims für Mietkosten entsprochen wurde. Eine Aussage darüber, ob das Fortbestehen gesichert werden kann, konnte er nicht treffen.

Deniz Seyhun fragte nach aktuellen Zahlen bezüglich häuslicher Gewalt während der Corona-Pandemie. Stadtrat Herr Brockhausen konnte nicht auf bezirksscharfe Statistiken zurückgreifen, berichtete jedoch von bis zu 30% erhöhten Meldungen bei der Hilfehotline und der Gewaltambulanz der Charité, wobei weitere Anstiege bei Polizei und Notruf zu verzeichnen seien. Mutige Zuversicht zeigte Stadtrat Herr Dollase mit Blick auf die bislang nicht gestiegenen Fallzahlen beim Jugendamt, die hingegen mit hoher Wahrscheinlichkeit auf fehlende Kontrollen und Ansprechpartner während der Schulschließungen zurückzuführen sind.

Nach monatelangen Verhandlungen wurde in der 43. BVV-Sitzung endlich die u.a. von der Linksfraktion seit März geforderte Geschäftsordnungsänderung beschlossen, die einen Weiterbetrieb der BVV und ihrer Ausschüsse auch im Fall einer Notsituation, z.B. einer Pandemie, sichert, wenn Präsenzsitzungen nicht möglich sind und Sitzungen statt dessen bspw. im Format von Videokonferenzen durzuführen sind. Auch und gerade in Notlagen müssen der Staat und seine Institutionen handlungsfähig und die demokratische Kontrolle gewährleistet bleiben.

Danach wurde eine Resolution von CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen, FDP und Linksfraktion verabschiedet, welche die Bürger*innen im Bezirk auffordert, bezüglich der Corona-Regeln wie Abstandshaltung und Maskenpflicht nicht nachlässig zu werden. Felix Lederle begründete die Notwendigkeit des Appells damit, dass die gesellschaftliche Akzeptanz für die Corona-Eindämmungsmaßnahmen in Teilen der Gesellschaft gesunken ist, während die Infektionszahlen aktuell steigen und bereits wieder auf dem Niveau von Mai liegen und damit, dass die Corona-Regeln einzuhalten sind, um ältere Menschen und Menschen aus den Risikogruppen zu schützen, eine Überforderung des Gesundheitssystems zu vermeiden und eine zweiten Lockdown mit enormen gesellschaftlichen Folgekosten zu verhindern.

Im Rahmen der Debatte entlarvte sich die AfD erneut als demagogische und für Verschwörungstheorien anfällige, reine Protestpartei, indem sie die erfolgreichen Eindämmungsmaßnahmen in Deutschland mit Grundrechtseinschränkungen in Diktaturen verglich und Covid 19 mit derzeit weltweit bereits einer Million Toten als eine „leichte Grippe“ bezeichnete. Ausgerechnet die selbsternannte Law-and-Order-Partei, die der Landes- und Bundesregierung gerne leichtfertig und sachlich falsch Rechtsbruch vorwirft, war nicht in der Lage, eine Resolution zu verabschieden, die lediglich an die Bürger*innen appelliert, sich an die geltenden Regeln zu halten. Die Faktenresistenz der AfD in der Corona-Frage reiht sich nahtlos ein in bspw. ihren Hang zur Klimawandelverharmlosung oder gar -leugnung. Probleme und Herausforderungen verschwinden aber nicht einfach, indem man die Augen vor ihnen verschließt. Es passt ins Bild, dass die AfD und ihr für Ordnungsangelegenheiten zuständiger Stadtrat, Herr Maack, mit über 40 Menschen ohne Maske und Abstand in einem kleinen Lokal einen ihrer Stammtische abgehalten hat, worauf Deniz Seyhun hinwies. Die aktuellen Versuche einer Skandalisierung des Corona-Managements von Bezirks-, Landes- und Bundesregierung durch die AfD steht insgesamt in krassem Widerspruch dazu, dass die AfD die Entscheidungen zur Corona-Eindämmung auf allen Ebenen im März dieses Jahres mitgetragen hat.   

In der Debatte um den CDU-Antrag für ein Kopftuchverbot für minderjährige Schülerinnen hat die Linksfraktion eine ablehnende Position, da der Antrag in der vorliegenden Form auf eine Benachteiligung der Angehörigen einer Religion hinausläuft und in mehrfacher Hinsicht in Konflikt mit dem Grundgesetz steht. Darüber hinaus stellte Marion Kheir klar, dass es sich hier nicht um eine Bezirksangelegenheit handelt.

Die Große Anfrage zu Corona-Hilfen des Bezirks für Hotel- und Gastronomiegewerbe zählte Bezirksstadtrat Uwe Brockhausen eine Vielzahl von Aktivitäten vor, um die notleidenden Betriebe zu unterstützen. Dazu zählen u.a. der Erlass bestimmter Gebühren oder eine Erweiterung von Außenflächen. Spielraum für finanzielle Unterstützung hat der Bezirk allerdings nicht. Allerding haben Landes- und Bundesregierung zügig, zahlreiche Hilfsprogramme mit einem Volumen von vielen Milliarden Euro auf den Weg gebracht, woran Deniz Seyhun erinnerte. Der Stadtrat rief Bürger*innen dazu auf, die regionale Gastronomie und auch die Geschäfte im eigenen Kiez als Kunden zu unterstützen. Schätzungen zufolge könnten bis zu 50% der gastronomischen Betriebe schließen müssen. Deniz Seyhun gab in ihrer Rede zu bedenken, dass in der schwierigen Lage in stärkerem Maße den kleinen und mittleren Betrieben, den Solo-Selbstständigen und prekär Beschäftigten sowie gering Verdienern geholfen werden müsse und kritisierte, dass einige Unternehmen von der Krise profitierten, ihren systemrelevanten Mitarbeitern aber weiterhin Hungerlöhne zahlten.

Die AfD hat sich nunmehr als einzige Fraktion nicht an den im Ältestenrat beschlossenen Konsens gehalten, während der Pandemie keine Großen Anfragen zu stellen, um die Verwaltung in dieser schwierigen Lage zu entlasten. Dass sich der auch für das Gesundheitsamt zuständige Stadtrat Herr Brockhausen nach einem 30-Minütigen detaillierten Vortrag zur Wirtschaftslage im Bezirk am Ende von der AfD beschimpfen und mit Falschbehauptungen herumschlagen musste, obwohl er derzeit alle Hände voll mit dem Gesundheitsschutz der Reinickendorfer Bevölkerung zu tun hat, ist verantwortungslos.