XX / 48. Sitzung

BVV-Report

Digitales Format

Die BVV tagte in ihrer 48. Sitzung wieder im digitalen Format. Von anfänglichen technischen Problemen abgesehen, funktionierte das dieses Mal recht gut und es ist gut, dass ein Mindestmaß an politischem Prozess auf Bezirksebene möglich bleibt. Bedingt durch das digitale Format und einer längeren Diskussion über eine Pressemitteilung der AfD aus dem Dezember (mehr dazu unten) fiel die Bearbeitung von Drucksachen jedoch leider recht kurz aus, sodass nicht viel abgearbeitet werden konnte.

Dringlichkeiten

Auf Initiative der Linksfraktion wurde ein interfraktioneller Dringlichkeitsantrag von SPD, CDU, FDP, Grünen und LINKEN  eingebracht, in dem den Mitarbeitern des Gesundheitsamtes und des BVV-Büros ausdrücklich für ihre wichtige Arbeit in den letzten Monaten gedankt wurde. Hintergrund war eine unsägliche Pressemitteilung der AfD Reinickendorf, in der der Reinickendorfer Amtsarzt persönlich für Tote in einem Reinickendorfer Pflegeheim verantwortlich gemacht wurde - er hätte diese „billigend in Kauf genommen“. Getreu dem für die AfD typischen Motto: „Aufmerksamkeit durch Erregung erzeugen, dann zurückrudern“ kündigte AfD-Fraktionschef Wiedenhaupt auch prompt die Zustimmung seiner Fraktion zu diesem, gegen die AfD-Pressemitteilung gerichteten Antrag an. Die Mitteilung sei nie gegen den Amtsarzt persönlich gerichtet gewesen.

Die demokratischen Fraktionen der BVV ließen ihm diesen durchsichtigen Versuch nicht durchgehen und es entspann sich eine längere Debatte über das Verhalten der AfD, die Wertschätzung der Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitsamtes und das zwiespältige Verhältnis der AfD zu Corona. Denn auf der einen Seite ist das Virus für führende AfD-Funktionäre eine einzige große „Lüge“ und die Maßnahmen drakonisch auf der anderen Seite werden viel härtere Maßnahmen gefordert. Für die Linksfraktion ist klar, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Gesundheitsamtes wie auch des Bezirksamtes insgesamt in dieser schweren Situation gute Arbeit leisten. Kritik ist notwendig und kann auch produktiv sein; Diffamierung ist das nicht und ihr muss entschieden entgegengetreten werden.

Ohne Debatte wurde ein weiterer Dringlichkeitsantrag beschlossen, in dem das Bezirksamt aufgefordert wurde, sich dafür einzusetzen, dass die Verteilung des Impfstoffes in den Krankenhäusern besser organisiert wird. Hintergrund dieses Antrags ist es, dass die Lieferung des Impfstoffes an das Humboldt-Klinikum teilweise mit bis zu sechs Stunden Verspätung erfolgte, sodass die Beschäftigten nicht planmäßig geimpft werden konnten. Die LINKE hat diesem Antrag selbstverständlich zugestimmt.

Bürgeranfragen

In der BVV wurden zwei Bürgeranfragen behandelt. In der ersten Anfrage ging es wieder einmal um den BVV-Beschluss 2487/XX, in dem das Bezirksamt aufgefordert wird, in der Schildower Straße und der Elsestraße im Waldseeviertel in Hermsdorf temporär Modalfilter an der Grenze zum Land Brandenburg aufzustellen, sobald eine Optimierung der Ampelschaltung auf der B96 auf 120 vorgenommen worden ist. Während der temporären Schließung für den Motorisierten Individualverkehr sollen aus Sicht der BVV belastbare Informationen gesammelt werden, wie sich die Verkehrsströme entwickeln und ob es zu einer unzumutbaren Mehrbelastung der B96 und der Anliegerstraßen v.a. westlich des Waldseeviertels kommt. Auf der Grundlage dieser Erkenntnisse sollen dauerhafte Maßnahmen unter Beteiligung der interessierten Öffentlichkeit beraten und beschlossen werden, um den massiven Pendlerverkehr von den vielfach überlasteten Straßen im Wohngebiet fernzuhalten und diesen auf die dafür vorgesehene und angelegte, naheliegende Bundesstraße 96 umzuleiten. In der Antwort auf die Frage führt die zuständige Stadträtin Katrin Schultze-Berndt aus, sie habe ein Verkehrsgutachten beauftragt, dass sie am Donnerstag im Verkehrsausschuss vorstellen werde und ließ ansonsten erneut offen, ob sie den einstimmigen BVV-Beschluss für eine temporäre Schließung umsetzen wird. Die Linksfraktion erwartet, dass der einstimmige BVV-Beschluss, der ja auch nur auf eine Erprobungsphase zielt, jetzt endlich umgesetzt wird. Die Nichtumsetzung des Beschlusses durch das Bezirksamt wäre eine Missachtung der BVV und eine Blamage des Bezirksamtes. Nur auf der Grundlage der  Ergebnisse der Erprobungsphase lässt sich ermessen, ob der dauerhafte Verbleib der Modalfilter an der Stadtgrenze sinnvoll ist oder ob andere Maßnahmen geeigneter wären, um das Wohngebiet von dem Pendlerverkehr zu entlasten. Das Verkehrsgutachten liefert hierfür keine belastbaren Informationen.

Eine weitere Bürgeranfrage mit dem Titel „Kostenübernahme für Mieterverein bei Leistungsbeziehenden“ kritisierte, dass nicht über die Möglichkeit der Erstattung der Kosten für die Mitgliedschaft in einem Mieterverein durch das Sozialamt informiert würde. Stadtrat Brockhausen (SPD) wies allerdings darauf hin, dass das durch die rot-rot-grüne Landesregierung geschaffene und finanzierte Angebot auf der Homepage des Sozialamtes bekannt gemacht wird, Flyer vorhanden sind und die Mitarbeiter:innen des Sozialamtes im Rahmen ihrer umfangreichen Beratungstätigkeit auch auf dieses Angebot hinweisen.   

Mündliche Anfragen

Die SPD-Fraktion fragte Ordnungsstadtrat Maack, inwiefern es mit seiner Vorbildfunktion als Wahlbeamter vereinbar sei, auf dem Parkplatz des Rathauses an einem Fototermin der AfD ohne Einhaltung des Mindestabstandes und ohne das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes teilzunehmen. Der Stadtrat antwortete, er sei der Ansicht, dass jeder Dezernent eine Vorbildfunktion habe, unabhängig davon, ob er die Regelung sinnvoll finde oder nicht. Es sei ein Fehler gewesen und er entschuldige sich dafür. In der Nachfrage wollte die SPD wissen, inwiefern die Nutzung des Parkplatzes genehmigt war. Dies wurde von Stadträtin Schultze-Berndt verneint. Stadtrat Maack zeigte ich daraufhin überrascht, er sei davon ausgegangen, dass die Aktion genehmigt war. Der für Ordnung politisch zuständige Stadtrat der selbst erklärten law-and-order-Partei AfD hat somit an einer nicht genehmigten Veranstaltung ohne AHA-Regeln teilgenommen…

Stadtrat Dollase antwortete auf die Anfrage der Grünen, dass die Ausschreibung für die vom Senat finanzierten Luftfiltergeräte für Schulen beendet ist. Es werden 75 Geräte angeschafft, sie sollen Anfang Februar in Betrieb genommen werden. Eingesetzt werden sollen sie in schwer belüftbaren Klassenräumen.

Die FDP-Fraktion erfragte, wie viele Corona-Impfungen in Reinickendorfer Senioren- und Pflegeeinrichtungen bereits erfolgt sind. Stadtrat Brockhausen antwortete, konkrete Zahlen für Reinickendorf lägen ihm nicht vor, er schätzt aber auf Grundlage von Senatsveröffentlichungen, dass 1.500 Bewohner:innen in diesen Einrichtungen bislang geimpft wurden.

Auf die Anfrage unseres Fraktionsvorsitzenden Felix Lederle, wie weit die Voruntersuchungen für die Einrichtung eines Milieuschutzgebietes in Reinickendorf-West (Scharnweberstraße und Klixstraße und Umgebung) gediehen sind, antwortete Bezirksbürgermeister Balzer, der Bericht werde voraussichtlich zum Februar fertiggestellt. Die Einrichtung eines Milieuschutzgebietes in diesem Bereich wird voraussichtlich befürwortet und somit rückt die Verwirklichung der langjährigen Forderung der Linksfraktion in greifbare Nähe. Dies ist in diesem Bereich auch bitter nötig, der schon in der Vergangenheit heftigen Aufwertungsdruck erlebt hat, der sich durch die nun durch die erfolgte Schließung des Flughafens TXL noch weiter verschärfen wird. Die Linksfraktion wird sich entschieden dafür einsetzen, dass die Milieuschutzverordnung noch in dieser Legislaturperiode kommt!

Offene Drucksachen

Behandelt werden konnten leider wegen der schon fortgeschrittenen Zeit nur zwei der zahlreichen offenen Drucksachen. Beim ersten Antrag (Drs. 2743/XX) ging es darum, der Reinickendorfer Gastronomie die Nutzung von Heizpilzen im öffentlichen Straßenland zu ermöglichen. Aus Sicht der Linksfraktion kann es hier aber nur um elektrisch und keinesfalls um mit Gas betriebene Modelle gehen, denn letztere sind Klimakiller und ansonsten um Unterstützung von pandemiekonformer Einhausung der Außenbereiche. Darüber hinaus ist es reine Symbolpolitik, denn egal welche Strahler auch aufgebaut werden: Sie werden die Gastronomie nicht retten. Wichtiger wäre es, die Forderungen an die Politik nach auskömmlichen und während der gesamten Einschränkungszeit geltenden Hilfsprogrammen endlich umzusetzen. Ebenso müssten nach Ansicht der Linksfraktion die Differenzierung nach und Ausnahmen für gastronomische Einrichtungen mit Hygienekonzepten und Belüftungsanlagen erst recht im Zusammenhang mit Schnelltests für die Gastronomie ermöglicht werden, sobald die Pandemielage dies zulässt. Den Antrag in dieser Fassung hätte die Linksfraktion abgelehnt, dazu kam es jedoch nicht mehr, denn: Die Drucksache wurde durch die antragstellende AfD-Fraktion für erledigt erklärt. Da das Bezirksamt bereits im September einen entsprechenden Beschluss gefasst hat und die Gastronomie aufgrund der aktuellen Fassung der Berliner Covid-19-Eindämmungsverordnung geschlossen ist, wäre eine solche Positionierung auch objektiv sinnlos gewesen. Es ist unverständlich, wieso die AfD-Fraktion den Antrag nicht schon vor der Sitzung für erledigt erklärt hat. So fiel wertvolle Sitzungszeit weg.

In der weiteren behandelten Drucksache (Drs. 2330/XX) ging es um eine Vorlage zur Kenntnisnahme des Bezirksamtes zu einem Beschluss der BVV, nach dem das Bezirksamt sich beim Senat dafür einsetzen soll, das Mietendeckelgesetz wieder aufzuheben. Vor dem Hintergrund, dass der Senat als Exekutive für Wünsche an die Legislative der falsche Ansprechpartner ist und alle Argumente zum Thema monatelang ausgetauscht worden sind, verwundert die ausgebliebene Antwort nicht. Jedem ist klar, dass die Ansichten der Parteien höchst unterschiedlich sind, wenn es darum geht, den Mietpreiswahnsinn in Berlin zu bekämpfen, wenn dies überhaupt ein politisches Ziel von CDU. AfD und FDP sein sollte. Beachtenswert ist aber, dass die Neubauzahlen entgegen der Unkenrufe und Prognosen der Mitte-rechts-Parteien und des Bezirksamtes nach Einführung des Mietendeckelgesetzes gestiegen und nicht gesunken sind. Dies ist aber auch nicht verwunderlich, da Neubau ab 2014 und alle Wohnungen, die aktuell fertiggestellt werden, ausdrücklich vom Mietendeckel ausgenommen sind und dass die Feinde des Neubaus nicht nur die exorbitant hohen Bodenpreise in Berlin waren und sind, sondern bis zur Einführung des Mietendeckels auch die sehr hohen Renditen, die mit dem Bestand erzielt werden konnten.