XX / 32. Sitzung

BVV-Report

Die 32. BVV-Sitzung begann mit einer Schweigeminute, um der kürzlich verstorbenen Bezirksverordneten, Jutta Küster, zu gedenken. Die Linksfraktion bedauert den Tod der allseits beliebten SPD-Kollegin außerordentlich und bekundet ihr Beileid gegenüber allen Angehörigen, Freunden, der SPD-Fraktion und insbesondere ihrem Lebenspartner, Bezirksstadtrat Uwe Brockhausen. Aufgrund dieses traurigen Ereignisses wurde eine verkürzte Sitzung beschlossen, in der lediglich Einwohneranfragen und mündliche Anfragen behandelt wurden.

Im Rahmen einer entsprechenden Einwohnerfrage begrüßte Felix Lederle, dass die landeseigene InfraVelo im Auftrag des Senats die Planungen für eine Radschnellverbindung von Heiligensee, über den Wedding bis in die Stadtmitte (parallel zur A 111) vorantreibt. Gleichzeitig machte er deutlich, dass in diesem Zusammenhang in Übereinstimmung mit den Umweltverbänden Berlins darauf zu achten ist, dass für die Radschnellverbindung keine innerstädtischen Grünflächen geopfert werden.

Die mündliche Anfrage der Linksfraktion von Marion Kheir nach dem Sachstand bezüglich des ehemaligen Entenkellers in Frohnau ergab das unbefriedigende Ergebnis, dass die gastronomische Einrichtung vorerst geschlossen bleibt und auch keine Wiedereröffnung in Sicht ist. Die Mündliche Anfrage zum ehemaligen „Tillner`s am See“ von Deniz Seyhun ergab, dass die Klage gegen den Bebauungsplan vor kurzem zurückgezogen worden ist und das Projekt nun entsprechend der Maßgaben der 2016 erteilten Genehmigung umgesetzt wird. Allerdings muss die Ausschreibung für die Gewerke von neuem erfolgen. Hier geht es also erfreulicherweise immerhin voran.

Am 12.06. wurde dann die 32. BVV-Sitzung an einem Sondertermin fortgesetzt, um offene Drucksachen abzuarbeiten, die bislang liegen geblieben waren, darunter fünf Große Anfragen. Die zwei Großen Anfragen der CDU wurden jedoch zu Beginn der Sitzung auf Wunsch der CDU erneut vertagt. Zum wiederholten Mal musste sich die BVV auf Wunsch der AfD mit AfD-Anträgen befassen, die in den Ausschüssen von allen anderen Fraktionen bereits abgelehnt worden waren. Diese Vorgehensweise der AfD zu in den Ausschüssen eindeutig durchgefallenen Anträgen – oftmals nicht einmal zu kommunalpolitischen Themen – regelmäßig erneut Redebedarf in der BVV anzumelden, ist zu einem guten Teil ursächlich dafür, dass die BVV-Reinickendorf so schleppend vorankommt und permanent einen Berg von offenen Drucksachen vor sich herschiebt. Der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion, Felix Lederle und VertreterInnen anderer Fraktionen wiesen im Verlauf der Sitzung darauf hin, dass in dieser Vorgehensweise der AfD ein mangelnder Respekt gegenüber der Bezirksverordnetenversammlung und ihren Aufgaben zum Ausdruck kommt.


Zum Thema „Zukunftspakt Verwaltung“ von Senat und Rat der Bürgermeister herrschte – abgesehen von der AfD – Einigkeit darüber, dass die Zustimmung des Bezirksbürgermeisters, Hr. Balzer, für den Bezirk Reinickendorf richtig war, auch wenn die Ergebnisse hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind, nachdem viele Ziele wenig konkret festgelegt worden waren, um zu einem einstimmigen Beschluss zu kommen. Dennoch sind die beschlossenen Reformen ein Fortschritt und gleichzeitig ja auch erst der Auftakt zu einem über die Legislaturperiode hinausgehenden Prozess zur Modernisierung der Verwaltung in Berlin, worauf der Vorsitzende der Linksfraktion Reinickendorf, Felix Lederle, in seiner Rede hinwies.


Nun muss es zunächst darum gehen, die gemeinsam getragenen Strukturentscheidungen im neuen Doppelhaushalt des Abgeordnetenhauses mit Ressourcen zu unterlegen und dann gemeinsam zügig umzusetzen. Einen spürbaren Nutzen werden aus Sicht von Felix Lederle, der für die Linksfraktion im AGH am Land-Bezirke-Gipfel zur Erarbeitung des „Zukunftspaktes“ teilgenommen hat, u.a. die Umsetzung der Regelungen zur Stärkung der gesamtstädtischen Steuerung, die in Aussicht gestellte Unterstützung der Bezirke bei der Digitalisierung der Verwaltung, die Einführung eines sechsten Stadtrates, die Einrichtung des CityLab Berlin, die Einführung der innerbehördlichen Genehmigungsfiktion in ausgewählten Politikfeldern, die Regelungen zur Beschleunigung von Einstellungsverfahren und die Vereinfachung des Laufbahnwechsels haben.

DIE LINKE im Senat, Abgeordnetenhaus, den Bezirksämtern und BVV-en wird sich im Rahmen des darauf folgenden Prozesses weiterhin für eine Verbesserung der gesamtstädtischen Steuerung, für eine Stärkung der Bezirke in der Durchführung ihrer verfassungsrechtlich definierten Aufgaben, für eine Aufwertung der Entscheidungsbefugnisse der Bezirksverordnetenversammlungen, für eine Verbesserung der Abstimmung zwischen Senat und Bezirken auf Augenhöhe und für eine Verbesserung der landesrechtlichen Vorgaben – zum Beispiel im Bereich Finanzen und Personal – dahin gehend einsetzen, dass die Verwaltung in die Lage versetzt wird, die wachsenden Aufgaben besser, schneller, nachhaltiger und bürgernäher zu erledigen. Perspektivisch müssen aus Sicht der Linksfraktion Reinickendorf die Zuständigkeiten und Kompetenzen von Land und Bezirken klarer geregelt und voneinander abgegrenzt werden, denn die Bürgerinnen und Bürger und auch viele Politikerinnen und Politiker Berlins sind das regelmäßige Zuständigkeits-Ping-Pong und die häufigen Politikblockaden zwischen Land und Bezirken ebenso leid, wie die Tatsache, dass Verwaltungsprozesse, an denen sowohl Senats- als auch Bezirksverwaltungen beteiligt sind, oftmals viel zu lange dauern und so bleibt es bspw. unverständlich, warum eine Genehmigung in bezirklicher Hoheit mehrere Male durch eine oder sogar mehrere Senatsverwaltungen geprüft werden muss.


Bei der in der Tagesordnung folgenden Beantwortung der Großen Anfrage zum Stand der Umsetzung der in der BVV beschlossenen Radrouten ließ die zuständige Bezirksstadträtin Fr. Schultze-Berndt leider mehrere Fragen insbesondere zum Stand der Erarbeitung des bezirklichen Radverkehrskonzeptes unbeantwortet. In der von der BVV vor zwei Jahren beschlossenen Drucksache 469/XX heißt es: „Das Bezirksamt wird ersucht, mit den zuständigen Stellen ein Radverkehrskonzept für Reinickendorf zu erarbeiten.“ Vor diesem Hintergrund zeigte sich Felix Lederle in seiner Rede mit Blick auf die Ausführungen der Stadträtin sehr erstaunt, dass nun offenbar die Drucksache 469/XX als fertiges bezirkliches Radwegekonzept gelten soll? Sollte das Bezirksamt die Drucksache nach eigenem Gutdünken uminterpretieren und kein bezirkliches Radverkehrskonzept erarbeiten wollen, wäre dies eine Missachtung der BVV und nicht zu akzeptieren.


Im Rahmen seiner Rede führte Felix Lederle aus, dass die Fahrradverkehrsinfrastruktur in Reinickendorf gegenwärtig mangelhaft ist und die Modernisierung gemessen am Bedarf deutlich schneller vorangehen müsste. Vor allem in Nord-Süd-Richtung werden aus Sicht der Linksfraktion Hauptverkehrsachsen für Radfahrende dringend benötigt - noch dringender als für den PKW-Verkehr. Die Defizite im Hauptroutennetz für den Radverkehr machen aus unserer Sicht vorrangig dort Investitionen notwendig, wo sie zu einer deutlichen Verbesserung der Sicherheit, einer verstärkten Nutzung und einer durchgängigen Befahrbarkeit führen. Vor diesem Hintergrund hat sich die Linksfraktion vor zwei Jahren an der Erarbeitung der Drucksache 0469/XX beteiligt und gemeinsam mit der SPD und in Übereinstimmung mit dem damaligen Sprecher des ADFC Reinickendorf der Drucksache im Verkehrsausschuss und in der BVV angesichts der Mehrheitsverhältnisse in der BVV pragmatisch zugestimmt, auch wenn wir uns teilweise einen anderen Streckenverlauf entlang von Hauptverkehrsstraßen gewünscht hätten, was aber nicht mehrheitsfähig war. Totalverweigerung hilft keinem Radfahrer in Reinickendorf! Dass das BA zwischenzeitlich ein kompetentes Planungsbüro aus Leipzig mit der Umsetzung der beschlossenen Radrouten beauftragt hat, ist zu begrüßen und dass die Zwischenergebnisse im letzten Mobilitätsrat vorgestellt worden sind ebenfalls. Besagte Präsentation hat aber eine ganze Reihe von praktischen Umsetzungsproblemen aufgrund der jeweiligen Gegebenheiten vor Ort aufgezeigt. Die Linksfraktion wäre gerne bereit, das Verwaltungshandeln mit Blick auf die Umsetzung der Drucksache kritisch-solidarisch zu begleiten, dies ist aber derzeit nicht möglich, weil es aufgrund der rein ideologisch begründeten Weigerung des Bezirksamtes, einen FahrRat einzuführen und der Überlastung des nur einmal im Halbjahr tagenden Mobilitätsrates und des Verkehrsausschusses kein Gremium im Bezirk gibt, wo eine substantielle Mitarbeit der BVV auf dieser Strecke möglich ist. Eine echte Beteiligung der BVV, des ADFC und anderer gesellschaftlicher FahrradexpertInnen, macht auch mit Blick auf die Umsetzung der Drucksache 0469/XX die im Mobilitätsgesetz verpflichtend festgeschriebene Wiedereinberufung eines bezirklichen FahrRates in Reinickendorf dringend erforderlich. Darüber hinaus ist äußerst ärgerlich, dass das Bezirksamt auch immer noch keinen Ansprechpartner für die Koordinierung von Angelegenheiten des Radverkehrs, der ebenfalls laut Mobilitätsgesetz vorgeschrieben ist, benannt hat. Kritisch sieht die Linksfraktion zudem die Praxis des Bezirksamtes mit Mitteln aus dem Radwegeprogramm des Landes Straßen zu asphaltieren (vier in 2019), ohne dann auch Radwege anzulegen. Wir finden, dass aus dem Radwegeprogramm v.a. Radwege finanziert werden sollten. Insgesamt besitzt das Thema Radverkehr im Bezirksamt nach wie vor keine besonders große Priorität. Leider hakt es bei der Umsetzung der im Mobilitätsgesetz beschlossenen Modernisierung der Fahrradverkehrsinfrastruktur gerade auch in Reinickendorf, wenngleich zur Wahrheit dazu gehört, dass es in mehreren anderen Bezirken auf dieser Strecke leider auch nicht gut aussieht.

 

Im Rahmen der Große Anfrage und mehrerer Drucksachen zur Umsetzung des Digitalpakts in Reinickendorf stellte sich heraus, dass einige Schulen von der Telekom nicht in ausreichendem Maße mit schnellen Anschlüssen versorgt wurden. Bezirksstadtrat Hr. Dollase wurde dazu aufgerufen, sich stärker dafür einzusetzen, dass auch Schulen, die eine nur geringe Ausstattung mit technischen Geräten vorweisen, ihre Situation verbessern. Marion Kheir merkte an, dass die unterschiedliche Ausstattung ein Problem für die Chancengleichheit der Schüler*innen darstellt. Gleichzeitig machte sie deutlich, dass die Digitalisierung an Schulen zwar wichtig, aber aus Sicht der Linksfraktion gegenüber Problemen wie Lehrermangel, Sanierungsstau oder Mobbing an Schulen nachrangig ist.

 

Am Ende der Sitzung kam es dann wieder zu einem – wie immer durch die AfD verursachten – Eklat. Deren wie so oft nicht-kommunalpolitischer Antrag für ein Kopftuchverbot für noch nicht Religionsmündige Berliner Schülerinnen sollte auf Antrag der FDP-Fraktion namentlich abgestimmt werden. Aufgrund verfahrenstechnischer Schwierigkeiten in Folge der Festlegung im Ältestenrat, dass nach Sollstärke abgestimmt werden soll, kam es erneut zu Unterbrechungen und zu Sitzungen von Ältestenrat und Fraktionen. Am Ende wurde der Antrag in den Schulausschuss zurücküberwiesen. Zur Sache selbst brache Deniz Seyhun in einer leidenschaftlichen Rede, die viele Anwesende zum Nachdenken brachte, für die Linksfraktion zum Ausdruck, dass ein Verbot, das sich – wie im vorliegenden Fall – allein auf Angehörige einer Religion bezieht, eindeutig diskriminierend und ausgrenzend ist.