XX / 49. Sitzung

BVV-Report

Die 49. BVV-Sitzung fand erneut digital statt. Als Besonderheit war die Sitzung dieses Mal auf zwei Tage gesplittet, um dem „Drucksachenstau“ Herr zu werden. Am ersten Tag wurden – wie üblich – die Formalitäten und die Einwohnerfragen und mündlichen Anfragen abgearbeitet und dann aufgrund des Todes eines Verordneten abgebrochen und am zweiten Tag erfolgte die Abarbeitung der offenen Drucksachen und Anträge.

Bürger:innenanfragen

Vier der sechs vorliegenden Bürger:innenanfragen thematisierten erneut den Konflikt um die testweise Einführung der Modalfilter im Waldseeviertel in Hermsdorf. Zum Hintergrund: Die Bezirksverordnetenversammlung hat in Drs. 2487/XX ohne Gegenstimme beschlossen, in einem Verkehrsversuch das Waldseeviertel, das als Schleichweg für Pendler:innen missbraucht wird, durch die Aufstellung sogenannter temporärer Modalfilter zunächst test- und zeitweise an der Landesgrenze zu sperren. Dadurch soll der Verkehr von den vielfach überlasteten Straßen im Wohngebiet ferngehalten und auf die für den Durchgangsverkehr vorgesehene B96 umgeleitet werden. Flankierend dazu soll die Ampelschaltung angepasst werden. Während der zeitweisen Sperrung von zwei Nebenstraßen des Wohngebietes für den motorisierten Individualverkehr soll evaluiert werden, wie sich die Verkehrsströme und das Mobilitätsverhalten verändern und auf der Grundlage der Evaluationsergebnisse sollen in einer Bürgerversammlung die nächsten Schritte beraten werden. Anstatt den einstimmigen BVV-Beschluss mit dem Feldversuch der temporären Sperrung umzusetzen, beauftragte das Bezirksamt daraufhin ein Verkehrsgutachten, das sich im Ergebnis u.a. gegen die Sperrung für den MIV, aber auch alle anderen denkbaren Maßnahmen ausspricht, ohne aber eine Optimierung der Ampelschaltung und eine Änderung der Verkehrsströme und des Mobilitätsverhaltens zu berücksichtigen und zu untersuchen. Das Rechtsamt des Bezirks spricht sich auf Basis dieses Verkehrsgutachtens in einem mehr als dünnen Gutachten, das u.a. das Mobilitätsgesetz nicht berücksichtigt, ebenfalls gegen die testweise Sperrung aus. In einer Einwohnerversammlung soll nun über Vorschläge zur Entlastung der Nebenstraßen an der Landesgrenze diskutiert werden. Das Bezirksamt geht bizarrerweise, ohne vorherige Befassung des Verkehrsausschusses der BVV mit einem stark polarisierenden Vorschlag (nämlich Einbahnstraßenregelungen) ins Rennen, der im eigenen Gutachten als ebenso ungeeignet bezeichnet wurde wie die Modalfilter! Interaktionsmöglichkeiten werden im Rahmen der Versammlung nur für einen Teil der TeilnehmerInnen bestehen.  

In der ersten Bürgeranfrage ging es um das durch das Rechtsamt erstellte Gutachten, in dem Annahmen aus dem Verkehrsgutachten als Fakt dargestellt wurden, um die Rechtswidrigkeit der Sperrung des Waldseeviertels zu untermauern. Stadträtin Schultze-Berndt erwiderte daraufhin, dies sei kein Fehler, sondern der „gestrafften Darstellung“ im Gutachten geschuldet. Für DIE LINKE kann das immer noch nicht vorliegende Gutachten, das der BVV zentral wichtige Parameter nicht berücksichtigt keinen konsensual beschlossenen Verkehrsversuch ersetzen, der belastbare Informationen liefert und somit geeignet ist, die Debatte zu versachlichen.

In einer weiteren Bürgeranfrage zum Waldseeviertelwurde gefragt, wieso das Verkehrsgutachten erst nach der Beschlussfassung durch die BVV durch das Bezirksamt beauftragt wurde. Stadträtin Schultze-Berndt begründete diesen langen Vorlauf mit „verschiedenen Voraussetzungen“, die zunächst erfüllt werden müssten. So musste die konkrete Fragestellung erst entwickelt werden und die zu erwartenden Kosten festgestellt werden, bevor die haushaltstechnischen Grundlagen geschaffen werden konnten. Dies hätte einige Zeit in Anspruch genommen. Das Gutachten habe insgesamt rund 50.000 Euro gekostet. Mittlerweile skandalös ist es, dass das Gutachten der BVV nach wie vor nicht vorliegt, obwohl es schon längst zugesagt war. Ohne eine detaillierte Kenntnis des Zahlenmaterials ist eine seriöse Diskussion über das Gutachten und die Verkehrssituation vor Ort nicht möglich. Nach den vorliegenden Informationen enthält das Gutachten keine neuen Erkenntnisse. Es drängt sich der Verdacht auf, dass es von der Fragestellung her schon so konzipiert war, dass es auf die Verhinderung von Modalfiltern zielte – so wurde etwa die im Beschlusstext geforderte, rechtlich und technisch mögliche Änderung der Ampelschaltungen auf der B96 im Gutachten überhaupt nicht adäquat berücksichtigt.

In einer weiteren Anfrage zum Thema Waldseeviertel wurde gefragt, ob die Drucksache damit als erledigt anzusehen ist, da die von der BVV geforderten Maßnahmen nach Ansicht des Bezirksamtes nicht umsetzbar seien. Dies wurde von Frau Schultze-Berndt verklausuliert bejaht. Die Linksfraktion hält diese Entscheidung der zuständigen CDU-Stadträtin den einstimmig gefassten BVV-Beschluss ohne zwingenden Grund nicht umzusetzen, für einen schweren Fehler, der die BVV und das Bezirksamt schwächt, die Demokratie im Bezirk beschädigt und die Bürgerschaft verunsichert und zurecht von vielen als Herumtrickserei wahrgenommen wird. Weitere Informationen finden sich in der Presseerklärung zum Thema Waldseeviertel der Fraktionen von Bündnis90/ Die Grünen und Linksfraktion.

Eine weitere Bürgeranfrage drehte sich um die Informationsangebote des Bezirksamtes bezüglich der möglichen Übernahme der Kosten für die Mitgliedschaft in einem Mieterverein. Sie wurde von Bezirksstadtrat Brockhausen (SPD) beantwortet. Die letzte Bürgeranfrage, in der es um die Registrierungsstelle des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge auf dem KBoN-Gelände ging, wurde kraft Zeitablaufs nicht mehr aufgerufen und wird der Fragestellerin schriftlich beantwortet.

Mündliche Anfragen

Die CDU-Fraktion interessierte sich in der ersten mündlichen Anfrage für die Zuständigkeitsverteilung zwischen Bezirken und dem Land Berlin: Wer erteilt die Genehmigung für die Errichtung einer Modularen Unterkunft für Geflüchtete (MUF)? Bürgermeister Balzer beantwortete die Frage zutreffend, in dem er mitteilte, dass die oberste Bauaufsichtsbehörde bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen für die Erteilung der Genehmigungen zuständig sei. Hintergrund dieser Frage ist nicht etwa Interesse am Berliner Verwaltungsaufbau, der der CDU-Fraktion und dem fragenden Mitglied im CDU-Landesvorstand eigentlich auch bekannt sein sollte, sondern die Kampagne gegen die geplante Errichtung eines MUFs am Paracelsus-Bad. Es steht zu befürchten, dass hier an einem Wahlkampfthema gestrickt wird – auf dem Rücken der Schwächsten.

Die Grünen-Fraktion interessierte sich für die Entwicklung des Angebots an Ausbildungsplätzen in Reinickendorf vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie. Stadtrat Brockhausen antwortete, nach Auskunft der Bundesagentur für Arbeit seien aktuell 767 Ausbildungsstellen in Reinickendorf verfügbar, das seien 0,7 Ausbildungsstellen je Bewerbenden. Corona hat leider auf dem Ausbildungsmarkt seine Spuren hinterlassen.

Um einen zweiten Aufgang für den S-Bahnhof Eichborndamm ging es in der mündlichen Anfrage der FDP-Fraktion. Nach Auskunft des BA ist für die Errichtung eines zweiten Aufgangs ein Planfeststellungsverfahren notwendig. Nachdem das Eisenbahnbundesamt (EBA) ein solches anstrengte, kamen seitens des Landesdenkmalamtes denkmalschutzrechtliche Bedenken auf, so dass das EBA das Verfahren wieder einstellte. Welchen Inhalt diese Bedenken hatten, ist dem BA nicht bekannt. Auf Anregung der BVV hin wird die untere Denkmalschutzbehörde dies klären.

Die Linksfraktion fragte nach einer Bewertung des Vorschlags des CDU-MdA Stefan Evers, im Bereich des ehemaligen Flughafens Tegel mitten im heikelsten Natur- und Wasserschutzgebiet Flächen für Kleingartenanlagen vorzusehen. Bezirksbürgermeister Balzer zog sich daraufhin auf die formale Position zurück, dass das ehemalige Flughafengelände ein Ort von gesamtstädtischer Bedeutung sei und daher die Senatsverwaltung die Planungen an sich gezogen habe. Er habe daher keine Meinung zu Detailfragen der Entwicklung dieses Gebietes, da er nicht zuständig sei. Auch auf Nachfrage hin blieb er bei dieser rein formalen Position, auch wenn die Planungen der Tegel Projekt GmbH keineswegs geheim sind. Es ist für einen Reinickendorfer Bezirksbürgermeister aus Sicht der Linksfraktion sehr schwach, keinerlei Meinung zu einem der wichtigsten Entwicklungsgebiete der Stadt zu haben, das im eigenen Bezirk liegt… Wir hätten uns gewünscht, dass der Bezirksbürgermeister dem unausgegorenen und unsinnigen Vorschlag seines Parteikollegen im Interesse des Bezirks eine klare Absage erteilt, aber offenbar gilt das alte CDU-Credo „erst der Bezirk, dann die Partei“ zumindest in Wahlkampfjahren nicht.

Die SPD-Fraktion fragte nach dem aktuellen Planungsstand für den Neubau einer Jugendfreizeiteinrichtung in Tegel auf dem Gelände des BVG-Busbahnhofes. Die BVG hat der Nutzung zugestimmt, das Grundstück wird aber für den SEV für die Zeit der Sanierung der U6 benötigt. Insofern kann mit der Errichtung der Jugendfreizeiteinrichtung erst danach begonnen werden.

Die Grünen fragten nach der Verfahrensweise für Schulanmeldungen für weiterführende Schulen unter Coronabedingungen. Stadtrat Dollase antwortete, die Anmeldung erfolge aktuell nach Coronaregeln. So dürfe nur ein Erziehungsberechtigter und nach Terminvereinbarung daran teilnehmen. Bedarf für eine Verlängerung des Anmeldungszeitraums wurde ihm aber bis dato nicht gemeldet.