Augenscheinliches

Unpolitisches?

Direkte Demokratie ist ein garstig Ding, haben offensichtlich die Fraktionen von CDU und FDP während der Dezember-BVV gedacht, als ein Reinickendorfer während der Einwohnerfragestunde die Meinung von Bezirksamt und Fraktionen zu einer Einschätzung von Helmut Hochschild zu unserem Schulsystem hören wollte.

Zur Erinnerung: Hochschild ist der Rektor der Reinickendorfer Paul-Löbe-Schule, der nach Neukölln zur Rütli–Schule gegangen ist, um dort Unterricht wieder möglich zu machen. Und der sagte doch dem „Spiegel“ unglaublicherweise, die Berliner Hauptschule könne nicht gesund werden, weil das System - also das dreigliedrige Schulsystem - krank sei. Integrierende Schulsysteme wie in Skandinavien brächten bessere Schüler hervor.

Auweia, das war ein Stich ins Wespennest.

Zur Strafe ließ man die fragenden Reinickendorfer Einwohner erstmal stundenlang warten. Dann erklärte die neue Bezirksstadträtin für Schule und Bildung, Schultze-Berndt (CDU), sie könne dazu gar nichts sagen, weil das doch eine politische Frage sei und das Bezirksamt keine politische Institution …

Dafür durften dann aber die Fraktionen loslegen – und hier ließ sich die CDU nicht lumpen. Frau Köppen schimpfte, kategorisch lehne die CDU eine Einheitsschule ab, Berlin könne man nicht mit skandinavischen Ländern vergleichen, sie (die CDU) fordere dagegen eine Begabtenförderung.

Nicht so aufgeregt, Frau Köppen! In Skandinavien steht wegen des erfolgreichen integrierenden Schulsystems der Sozialismus noch nicht zur Debatte, und auch in Finnland klopft der Kommunismus nicht an die Tür.

Allerdings ist eine moderne, effektive, erfolgreiche Schulbildung, eben ein integratives Schulsystem ein entscheidender Baustein, die Ursachen von Armut und Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Diese Ursachenbekämpfung forderte übrigens Peter Senftleben (SPD), Kollege von Bezirksstadträtin Schultze-Berndt und zuständig für Jugend, als Fazit seiner Beantwortung einer Großen Anfrage zum Kinderschutz.

Darf denn der Bezirksstadtrat und stellvertretende Bürgermeister so politisch sein?

Die Reinickendorfer sollte es freuen, zumal seine Partei sich in der Senatskoalition nach Jahrzehnten des Festhaltens an dem dreigliedrigen Schulsystem jetzt für das fortschrittliche integrative Schulsystem einsetzt. Ganz sicher nicht ohne Druck von links!

Vera Seidel