XVIII / 48. Sitzung


BVV-Report

Außen ziert eine große 99 das illuminierte Rathaus – zur Vorbereitung auf das hundertjährige Jubiläum im Mai. Innen geht unser „Bezirksparlament“ mit guten Wünschen „für ein gesundes Neues“ in das letzte Jahr seiner 18. Legislaturperiode.

Aufmerksam gemacht, dass die Informationstafel am Altbau-Eingang nicht, wie sonst üblich, einen Hinweis für interessierte Bürger enthält, dass zwei Etagen höher die BVV tagt, regiert BVV-Vorsteher Pohl (CDU) freundlich-unwirsch: „Heute klappt nichts so richtig!“ Kann er hellsehen? Den dramatischen, emotionsreichen Verlauf der 48. Sitzung wird er wohl kaum erwartet haben.

Den Grund für die Turbulenzen liefert wieder einmal die CDU- Fraktion. Sie ist, was selten vorkommt, nicht vollzählig. Anfangs besteht ein Patt von 26 (CDU) zu 26 Bezirksverordneten (SPD, B90/Grüne, FDP, drei Einzelverordnete). Das Kräfteverhältnis ändert sich, als später eine SPD-Verordnete hinzukommt. Entgegen der üblichen Praxis in der Reinickendorfer BVV stimmt die CDU der Dringlichkeit eines Antrages nicht zu. 26 zu 26 heißt Ablehnung. Die Empfehlung des Schulausschusses „Gemeinschaftsschule im MV“ (Drs.-Nr.: 1258/XVIII), dort mit 9 zu 6 Stimmen beschlossen, kommt damit nicht auf die Tagesordnung der laufenden Sitzung. FDP, B90 und SPD sind empört, verlangen eine Unterbrechung und eine Zusammenkunft des Ältestenrates.

Herr Pohl will nicht, aber nach der Geschäftsordnung (GO) muss er. Der Ältestenrat berät, die Fraktionen werden über das (Nicht-)Ergebnis eingeweiht, kommen nur zögernd zurück. Unter der Hand wird später zu hören sein, dass einige Fraktionen erwogen hätten, die Sitzung zu verlassen. Das müssten dann aber alle tun. Und wer rausgeht, muss auch irgendwann wieder reinkommen. Aber einfach so hinnehmen wollen sie die Weigerung der CDU offenbar nicht, eine inhaltliche Auseinandersetzung zu führen. Die BVV geht ohne plausible Erklärung des Vorstehers weiter. Die Atmosphäre bleibt angespannt.

Bezirksstadtrat Lambert (CDU) beantwortet die Einwohnerfragevon Yusuf Dogan (LINKE Reinickendorf) nach der Umsetzung der „Lokalen Agenda 21“ im Bezirk.

Um die Schließung des Kasinoturms in Frohnau, undichte Dächer an Schulen und die Schneebeseitigung von Fahrradwegen geht es bei den Mündlichen Anfragen.

SPD, B90 und FDP verlangen vom Bezirksamt (BA) größere „Transparenz bei Gutachten“ (Vorlage zur Kenntnisnahme zur Drs.-Nr.:1173/XVIII).

Die Große Anfrage (GA) der CDU zur „Verkehrspolitik mit Augenmaß – gegen ideologiegetriebene Drangsalierung einzelner Gruppen von Verkehrsteilnehmern“ (Drs.-Nr.: 1314/XVIII) und die langatmige Antwort von Stadtrat Lambert offenbaren die einseitige Politik der CDU zugunsten der Autofahrer.

Inzwischen hat sich der Besucherraum gefüllt. Lehrer und Eltern der Hannah-Höch-Grundschule und der Greenwich-Oberschule erfahren, dass ihr Anliegen nicht behandelt werden soll. Sie bleiben und warten gespannt, was sich tut.

Betreibt das BA eine „Stadtplanung in Reinickendorf?“ erkundigt sich B90 in einer GA (Drs.-Nr.: 1323/XVIII). Deren baupolitischer Sprecher plädiert dafür, die Menschen ins Zentrum der Planung zu stellen. Sein Entschließungsantrag fordert das BA auf, „im Sinne einer vorausschauenden Stadtplanung dafür Sorge zu tragen, dass im Bezirk genügend Flächen für die Errichtung von Gemeinschaftsschulen vorgesehen werden.“ Laut GO kann die SPD diesen Antrag ergänzen; sie ersucht das Bezirksamt, „die Pläne zur Eröffnung der neuen Gemeinschaftsschule wie von den beteiligten Schulen – Hannah-Höch-Grundschule und der Greenwich-Oberschule – gewünscht, möglichst schon zum Schuljahr 2011/2012, in jeder Hinsicht zu unterstützen und zu fördern.“ Unter geschickter Nutzung der GO wird so die Blockadehaltung der CDU aufgebrochen. Der Antrag wird mit 27 gegen 26 Stimmen angenommen. Die BVV gibt damit dem Projekt Gemeinschaftsschule auch in Reinickendorf „grünes Licht“. Direktor Tlustek und „seine Mannen“ nehmen die Glückwünsche von Parteienvertretern, darunter der LINKEN, entgegen. Bürgermeister Balzer & Co. sehen versteinert „in die Welt“.

Kaum anzunehmen, dass die CDU aus dieser Niederlage Lehren zieht und begreift, dass sie nicht länger schalten und walten kann, wie sie es über Jahre gewohnt war.

Friedrich Wilhelm