Über die Nöte eines BVV-Vorstehers

Die Geschäftsordnung der BVV schreibt im Abschnitt IX in den Paragraphen 41 bis 46 vor, wie abgestimmt werden soll. Der BVV-Vorsteher leitet die Prozedur, zählt die Stimmen, verkündet das Ergebnis. Eigentlich ist alles klar. Aber wie gewöhnlich liegt der Teufel im Detail.

Einige Beispiele aus der Sondersitzung der BVV am 26.11. 2008 gefällig?

Die Grauen haben ihren Antrag „Mehr Sicherheit für die Fußgänger in der Provinzstraße“(Drs.-Nr.:0662/XVIII) zurückgezogen. Um Transparenz bemüht, übernimmt die FDP den Antrag, will dessen Beratung im Verkehrsausschuss, „damit die Pankower teilnehmen können“ (Aber, aber, Herr Schmidt, der Wedding gehört doch nicht zu Pankow!). Die CDU stellt fest, dass die BVV schon 2002 einen ähnlichen SPD-Antrag angenommen hat. Die SPD korrigiert das Lob: sie habe sich bereits 1992 um eine Lichtsignalanlage in der Provinzstraße gekümmert. Fakt: die Ampel wird seit 10.11.2008 gebaut. Berechtigte Frage: Warum soll man einen Antrag in den Ausschuss überweisen, dessen Inhalt erledigt ist. Alle Fraktionen außer der FDP lehnen die Überweisung ab. Der Ausschussvorsitzende verspricht, dass Thema dennoch auf die Tagesordnung zu setzen.

Heiner v. Marschall (B90/Grüne) begründet überzeugend, warum ein Radfahrangebotsstreifen Hermsdorfer Straße – Triftstraße – Holzhauser Straße (Drs.-Nr.: 0559/XVIII) auch im Interesse der Autofahrer liegt. Die CDU bescheinigt ihm guten Willen; realistisch sei aber nur das Radwegekonzept des zuständigen CDU-Stadtrates. Der Verkehrsausschuss hat seine Ablehnnung bereits verkündet. Dennoch versucht die SPD, mit einem Änderungsantrag ein unverbindliches Berichtsersuchen an das Bezirksamt zu initiieren. Der Vorsteher grübelt laut: Worüber wird nun abgestimmt? Änderungsantrag, Ursprungsantrag, Empfehlung des Ausschusses? „Das nicht, das nicht; gut, dann machen wir es so, wie Sie möchten.“ Die Mehrheit verweigert sich einer vernünftigen Idee.

U. Schulz (SPD) überrascht die CDU, indem sie deren Ersuchen „Sämtliche Veranstaltungen auf der Bezirkshomepage“(Drs.-Nr.: 0681/XVIII) zustimmt. Gleichzeitig erkundigt sie sich, wann sich Reinickendorf - wie alle anderen Bezirke - endlich www.berlin.de anschlösse. Kritisch fragt sie nach, was die Bürgermeisterin mit 22 Tausend Euro - jährlich für die Pflege der homepage vorgesehen - anstelle, wo doch vieles veraltet sei. Wer im Glashaus sitze, solle nicht mit Steinen werfen, kontert U. Droske (CDU) und erinnert an ähnliche Vorwürfe gegenüber dem früheren SPD- Kulturstadtrat. Aus dessen Richtung ertönt etwas wie „üble Lüge“ oder so ähnlich, was D. Steffel (CDU) als „unverschämt“ empfindet. Für seine Fraktion verlangt er eine Sitzung des Ältestenrates, was aber nur der Fraktionsvorsitzende darf. Der BVV-Vorsteher spielt inzwischen Tatort-Ermittler: „Geben Sie es zu?!“ Als der CDU-Fraktionsvorsitzende im BVV-Saal erscheint und die Forderung bejaht, resigniert der BVV-Vorsteher: „Es hätte uns ja was gefehlt!“

Der Ältestenrat zieht sich zur Beratung zurück. Ihr Berichterstatter geht nach Hause.

Klaus Gloede