BVV-Report

XVIII / 41. Sitzung

In der Mai-Sitzung unseres „Bezirksparlaments“ geht es mehrfach um Symbole. BVV-Vorsteher Pohl (CDU) kündigt an, er habe heute „seinen freundlichen Tag“. Ich bin gespannt.

Normalerweise wird die Tagesordnung im Ältestenrat abgestimmt, in der Tagung durch Dringlichkeitsanträge ergänzt und vom Vorsteher festgesetzt. Sonst kein Problem, heute demonstriert die CDU-Fraktion wieder einmal ihre völlig ideologiefreie politische Logik. Sie plädiert dafür, die Tagesordnungspunkte (TOP) 12.1 und 13.2 gemeinsam zu behandeln. Das sind die Drucksachen-Nr. 1160/XVIII „Sonder-Bauprogramm für Schulstrukturreform“ (Ersuchen der CDU-Fraktion) und 1153/XVIIIUnterstützung GSW-Mieter“ (Empfehlung der SPD-Fraktion). Für SPD-Fraktionsvorsitzenden Brockhausen „unterschiedliche Dinge“, für die CDU, unterstützt von FDP und B90, offenbar eine Gelegenheit, die Generaldebatte zum Börsengang der GSW aus dem Abgeordnetenhaus in der BVV fortzusetzen und „den Verrat von Rot-Rot an den Mietern der GSW“ anzuprangern. Könne die CDU haben, - so Brockhausen - sie müsse dann aber auch erklären, warum die CDU seinerzeit für die Privatisierung der GSW gestimmt habe. Der SPD-Politiker hat m. E. recht: Verantwortungsbewusste Kommunalpolitik sieht anders aus. Am Ende reicht die Zeit nicht: Beide Drucksachen werden auf Juni vertagt.

Einwohnerfragen

Von vier Einwohnerfragen wird eine schriftlich beantwortet. Deren Inhalt bleibt ungenannt. Frau R. fragt für Frau Sch. (geht denn das?) nach dem Schicksal eines öffentlichen Spielplatzes in Hermsdorf, und ein Vertreter der Seniorenvertretung erkundigt sich nach den Gründen der Nicht-Einladung zu einer Einweihungsfeier eines Seniorenklubs (die wohl nur ein Pressetermin war).

Beate Orth, Mitglied der LINKEN Reinickendorf, wirbt mit ihrer Einwohnerfrage dafür, dass unser Bürgermeister - wie bereits 354 andere deutsche Bürgermeister - der Weltkonferenz der „Mayors for Peace“, die sich für eine Welt ohne Atomwaffen einsetzen, beitreten möge. Herr Schultze-Berndt (CDU) rät, auf „Symbolismus“ zu verzichten und weiter „konkrete Politik für die Menschen zu machen“. Politik lebe auch von Symbolen, entgegnet Frau Petters (B90). Für die SPD unterstützt Herr Brockhausen einen solchen Schritt. Nachdem alle Fraktionschefs geredet haben, verkündet Bezirksbürgermeister Balzer (CDU), das Bezirksamt (korrekter wäre wohl - die CDU-Mehrheit) sei „aus grundsätzlichen Überlegungen“ (oops!) gegen einen solchen Beitritt. BVV-Vorsteher Pohl ist großzügig: Er erlaubt eine Nachfrage an den Bürgermeister. Aber Herr Balzer bleibt dabei: Er will nicht im Namen Reinickendorfs für eine atomwaffenfreie Welt Flagge zeigen.

Mündliche Anfragen

Eine von fünf Mündlichen Anfragen betrifft u. a. die neue „Verwaltungsvorschrift zur Änderung der Verwaltungsvorschriften über die Dienstkleidung und die Ausstattung der Dienstkräfte der bezirklichen Ordnungsämter“, die – wie Stadtrat Ruschin (CDU) informiert - für gezielte Jugendschutzkontrollen nun auch Einsätze in Zivilkleidung erlaubt.
Wirtschaftsstadtrat Lambert (CDU) hält „in keinster Weise“ etwas von der Idee mancher Bezirke, analog der Kurtaxe eine Hotelbettensteuer in den Bezirken einzuführen.
Schulstadträtin Schultze-Berndt (CDU) nennt bedenkliche Zahlen: Nur wenige Reinickendorfer Schulen öffnen ihre Schulhöfe nachmittags für externe Kinder und Jugendliche.

Großen Anfragen

Die CDU verleitet mit ihrer Großen Anfrage „Musische und künstlerische Bildung in Reinickendorf“ (Drs.-Nr.: 1121/XVIII) die zuständigen Stadträtin, endlos im Wanjura-Stil „blühende Landschaften“ in Reinickendorf zu malen und dabei ihrer Lieblingsbeschäftigung zu frönen, „auf dem bösen rot-roten Senat rumzuhacken“ (v. Marschall). SPD und Bündnisgrüne erteilen ihr Nachhilfeunterricht, unterstützen die Entscheidungsfreiheit der Schulen. Zwischendurch geht ein „liebesvolles Intermezzo“ zwischen CDU und SPD über die Bühne: von „Frechheit“ und „Maulhalten“ ist die Rede, was der BVV-Vorsteher freundlich überhört. Voller Stolz über den „bunten Blumenstrauß“ möchte Frau Sollfrank (CDU) „nicht alles wiederholen“ (Bewegung im Saal), muss sich später vom BVV-Vorsteher die Frage gefallen lassen, ob sie denn nun fertig sei. Aber, aber, Herr Pohl!

Anträge

Die BVV stimmt absatzweise dem Antrag der CDU „Nivellierung des Straßenausbaubeitragsgesetzes (Drs.-Nr.. 1150/XVIII) mit Mehrheit zu. SPD und B90 wollen „die Katze nicht im Sack kaufen“ und lehnen die von der CDU vorgeschlagene undifferenzierte „Deckelung“ der Beiträge „nach oben“ ab.

Ebenso mit Mehrheit wird der CDU-Antrag „Die Umweltzone darf ehrenamtliches Engagement nicht unterbinden“ (Drs.-Nr.: 1145/XVIII) angenommen. Herr Droske (CDU) findet sich gut, wenn er wie schon so oft gegen „das bürokratische Ungetüm“ wüten kann. Herr Vetter (FDP) hat bei sich einen faible für die Umwelt entdeckt und will eine „reine Symbolpolitik“ nicht mitmachen. B90 und SPD würdigen das ehrenamtliche Engagement, wollen jedoch nicht, dass die Umweltzone durch Sondergenehmigungen durchlöchert wird; denn auch sie liege im Interesse der Menschen.

Frau Walk (SPD) verbindet „Kindheitserinnerungen“ mit dem Strandbad Tegel. Herr Schmidt (CDU) findet es „symbolisch sehr schade“, dass es geschlossen ist. Nach redaktioneller Arbeit - die SPD hilft der CDU, Fehler in deren Antrag zu korrigieren – beschließt die BVV einstimmig, das Bezirksamt solle den Senat und die Bäderbetriebe auffordern, den „Sommerbadebetrieb in Tegel aufrecht (zu) erhalten“ (Drs.-Nr.: 1146/XVIII). Ob 's hilft?

Einstimmig bestätigt die BVV die „Übertagung der Einrichtung für wohnungslose alleinstehende Personen in der Kopenhagener Straße 29 an den freien Träger 'Verein für Berliner Stadtmission'“ (Drs.-Nr.: 1142/XVIII). Die Bedingungen dafür sind in den zuständigen Ausschüssen ausführlich diskutiert und in einem ergänzenden Antrag (Drs.-Nr.: 1170/XVIII) festgehalten worden, der keine Zustimmung der Bündnisgrünen erhält. Frau Petters hat noch einmal genau nachgelesen und entdeckt, dass der Bezirk nicht wie erhofft an den Verkaufserlösen beteiligt werde. Die überraschende Information ruft spontane Konsultationen in und zwischen den Fraktionen und den Stadträten hervor, bis Herr Schultze-Berndt das als unwichtig erklärt. Herr Gaudszun (SPD) wird prinzipiell und charakterisiert das vom früheren Finanzsenator („dem Herrn, der jetzt bei der Bundesbank ist“) „reingedrückte“ Besteuerungssystem als „pervers“, denn es mache die Bezirke kaputt.

Frau Petters überrascht ein weiteres Mal. Sie hat noch Fragen zur „Bezirkshaushaltsrechnung für das Haushaltsjahr 2008“ (Drs.-Nr.. 0999/XVIII), wozu die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird.

Neue TOP werden nicht mehr aufgerufen. Dem fällt auch die Empfehlung des Haushaltausschusses zu einem SPD-Antrag zum 65. Jahrestages des Kriegsendes zum Opfer. Und der war bekanntlich schon vier Tage vorher.
Für Reinickendorf auch symbolisch. Leider.

Friedrich Wilhelm