BVV-Report

27. Sitzung

Die Sitzung unseres Bezirksparlaments hatte noch gar nicht richtig begonnen, da war sie schon wieder unterbrochen. Das Protokoll vermerkt: 17:50 – 18:40 46. nichtöffentliche Sitzung des Ältestenrats. Bis 19:15 tagten dann die Fraktionen. Was bewegte die Gemüter?

Tagesordnungspunkt (TOP) 1 ist für „Mitteilungen und ggf. Anerkennung von Dringlichkeiten“ bestimmt. Die Geschäftsordnung sieht vor: „Anträge und Beschlussempfehlungen, die nicht fristgemäß eingereicht wurden, können in die Tagesordnung aufgenommen werden, wenn ihre Dringlichkeit dargetan wurde und die BVV mit der Mehrheit der anwesenden Bezirkverordneten der Dringlichkeit zugestimmt hat.“ In jahrelang bewährter Praxis werden Dringlichkeitsanträge (DA) im Ältestenrat zwei Tage vor der BVV-Sitzung eingereicht oder angekündigt, so dass sich alle Fraktionen und das Bezirksamt (BA) zu den aufgeworfenen Fragen eine Meinung bilden können. Der Februarsitzung lagen acht DA vor, deren Dringlichkeit von der BVV bestätigt und die in die TO einsortiert wurden. Alles wie gewohnt.

Eine Ausnahme: Die CDU überraschte die BVV mit einem DA „Pachtvertrag Freitzeitverein Tegel-Süd e. V. “,der vom Vorsteher verlesen wurde. In der Begründung bezichtigte CDU-Fraktionsvorsitzender Schultze-Berndt Jugendstadtrat Senftleben (SPD) der „politischen Unreife“ und warf ihm vor, mit „juristischen Fallstricken“ den Freizeitverein am Arbeiten zu hindern. Der Jugendstadtrat entgegnete, dass er mit einstimmigem Beschluss des BA (also auch der CDU-Stadträte) bei Gegenzeichnung des Rechtsamtes dem Freizeitverein in einem Brief den Zutritt zu den zum 31.12.2008 gekündigten Räumlichkeiten untersagt habe. Gegenwärtig bestehe ein vertragsloser Zustand; Angebote des BA für einen zeitweiligen Pachtvertrag würden vom Verein ignoriert. CDU, Graue und FDP stimmten dennoch der Dringlichkeit zu. Als die CDU eine sofortige Abstimmung verlangte, beantragte die SPD eine Sitzung des Ältestenrates. Im Ergebnis der Beratungen wurde der CDU-Antrag geteilt.In der Debatte dazu beklagte Ex-Staatsanwalt Schmidt (FDP), auf welches Kulturniveau die BVV gesunken sei. Jeder, der im ersten Semester Schuldrecht studiert habe, wisse, dass der BVV-Beschluss vom 14.1.2009 (Drs.-Nr. 0691/XVIII) gar nicht umgesetzt werden könne. SPD-Fraktionsvorsitzender Braun fragte, warum die CDU richtige Beschlüsse ihrer eigenen Stadträte kippe. Er zitierte Äußerungen von Schultze-Berndt im Ältestenrat und konstatierte, offenbar halte die CDU die Gelegenheit für günstig, gewissermaßen Revanche für „die Aktion Regenbogenfahne“ zu üben. Als Anke Petters (B90/Grüne) erinnerte, dass die CDU seinerzeit im Jugendhilfeausschuss gegen den Freizeitverein Position bezogen habe, ergab sich für den Beobachter wie von selbst der Eindruck, dass die CDU ein unehrliches Spiel auf dem Rücken der Jugendlichen in Tegel-Süd spielt.

Eine Mehrheit von 28 Stimmen (CDU, Graue) gegen 24 (SPD, B90, FDP) forderte das BA auf, das vom Stadtrat Senftleben verhängte Zutrittsverbot mit sofortiger Wirkung aufzuheben“ (Drs. 0761/XVIII ). Der Stellvertretende Bürgermeister informierte, dass das BA zu dieser „offenbar wichtigsten Frage“ am folgenden Tag zu einer Sondersitzung zusammenkomme. Der zweite Teil des CDU-Ersuchens mit weitergehenden Forderungen (Drs. 0762/XVIII) wurde an die zuständigen Ausschüsse überwiesen.

Um 19:30, also zweieinhalb Stunden nach Beginn, wurde TOP 2 „Einwohnerfragestunde“ aufgerufen. Yusuf Dogan, Bezirksvorsitzender der Reinickendorfer LINKEN, erkundigte sich, ob „eine Erklärung der CDU-Bezirksbürgermeister und -Stadträte Berlins vom 21. Januar 2009 auf die homepage des Bezirkes Reinickendorf gehört? Müssten dafür nicht die homepages der Parteien genutzt werden? Oder werden zukünftig auch die Presseerklärungen anderer Parteien auf der homepage des Bezirkes zu lesen sein?“ Für das Bezirksamt – Bürgermeisterin Wanjura fehlte wegen Krankheit - bestätigte der stellvertretende Bezirksbürgermeister, besagte Presseerklärung sei keine des BA und gehöre deshalb nicht auf die homepage des BA. Heuchlerisch gab der CDU-Fraktionsvorsitzende dem Fragesteller ebenfalls Recht, verlas die Erklärung der Bürgermeisterin - den Volksentscheid „Pro RELI“ zeitgleich mit den Europawahlen durchzuführen – und pries diesen Missbrauch als „Wahrnahme ihrer Verantwortung“. Gleichzeitig beschuldigte er Stadtrat Senftleben erneut „unverschämter Handlungen“. Fragen von Anke Petters zur Geschäftsordnung gingen unter dem Gejohle der CDU- Fraktion unter. „ Flegelhaft“ und „erbärmlich“, fand Sascha Braun. Der BVV-Vorsteher resumierte, wir hätten „eine sehr interessante Bürgerfragestunde erlebt – interessant auch für die Bürger.“

Was sonst noch passierte?

Die Konsensliste (TOP 3) wurde bestätigt. BA-Mitglieder beantworteten Mündliche Anfragen (TOP 4) zu Sachbeschädigungen an der Humboldt-Bibliothek, zur Fällung von Pappeln am Tegeler Fließ, zu Anträgen des Kita-Eigenbetriebes Nord-West bzgl. des Konjunkturprogramms II und zu evtl. Auswirkungen der Novellierung des Wohngeldgesetzes in Reinickendorf.

Bezirksstadtrat Höhne (SPD) legte die beeindruckenden Ergebnisse des Projektes „Letteplatz – Wohnzimmer für alle im Kiez“ dar (Große Anfrage der SPD, Drs. 0716/XVIII). Der Antrag der SPD, das Bezirksamt werde ersucht,10.000 Euro für Quartiersmanagement vorbereitende Maßnahmen rund um den Letteplatz zur Verfügung zu stellen (Drs. 0763/XVIII), wurde an den Haushaltsausschuss überwiesen.

Es kann nicht verwundern: Die BVV schaffte erneut ihre Arbeit nicht. Deshalb wurde ein „Sondertermin der BVV zur Fortsetzung der Behandlung der Tagesordnungspunkte vom 11.2.2009“ zum 4.3.2009 festgesetzt.

Friedrich Wilhelm