BVV-Report

XVIII / 45. Sitzung

BVV-Vorsteher Pohl (CDU) begrüßt eine größere Gruppe von Bundeswehr-Soldaten aus der Julius-Leber-Kaserne und wünscht ihnen „viel Spaß bei einer wichtigen Sitzung“. (Welchen Eindruck mag wohl die Schulstunde in politischer Demokratie auf die „Bürger in Uniform“ hinterlassen haben?)

Der Vorsteher informiert unter Tagesordnungspunkt (TOP) 1 der BVV, dass er die erste Einwohnerversammlung des Bezirkes Reinickendorf gemäß § 42 Bezirksverwaltungsgesetz zum 3.11.2010 einberufen wird. Am 14.1.2009 – also vor 21 Monaten - hatte die BVV einen solchen Beschluss (Drs.-Nr.:0736/XVIII) gefasst, nachdem ein Antrag der CDU durchgefallen war, den Tegeler Platz vor C & A per Videoaufnahmen zu überwachen (Drs.-Nr.:0723/XVIII). Interessant, dass die CDU im Ältestenrat der BVV sich offenbar nicht an den BVV-Beschluss gebunden fühlen wollte, „damit die Diskussion nicht in die falsche Richtung geht“ (D.Steffel). Als Dringlichkeitsantrag (?) wird deshalb von der CDU gleich eine Große Anfrage (GA) „Derzeitige Situation im Ortsteil Alt-Tegel“ (Drs.-Nr.:1272/XVIII) nachgeschoben, die aber in der laufenden Sitzung nicht mehr behandelt werden kann.

Mit den Worten „Herr Dogan ist selbstverständlich da“ leitet BVV-Vorsteher Pohl TOP 2 der Sitzung „Einwohnerfragestunde“ ein. Der Bezirksvorsitzende der LINKEN ist bekannt; er hat bereits des öfteren sein demokratisches Recht als Tegeler Bürger genutzt, nachzufragen, was im Bezirk so läuft - oder auch nicht. Nach der von der Bundesregierung geplanten, 6,5 Mio. Hartz-IV-Empfänger verhöhnenden Erhöhung des Regelsatzes um 5 Euro und der Ausgabe von Bildungs-Gutscheinen an Kinder von Langzeitarbeitslosen fragt Yusuf Dogan dieses Mal nach den Konsequenzen dieser Entscheidung für die Tätigkeit des JobCenters Reinickendorf. Sozialstadtrat Höhne (SPD) weist in seiner Antwort auf viele noch offene Fragen hin.

Die Bestätigung der Konsensliste(TOP 3) erfolgt ohne Korrekturen. Unter den fünf Mündlichen Anfragen (TOP 4) lässt eine aufhorchen. CDU-Bezirksverordneter Weichert ist offensichtlich auf Berichte im „Kurier“ über Beschwerden von Anwohnern im Märkischen Viertel hereingefallen, wie Sozialstadtrat Höhne überzeugend nachweisen kann (s. "WiR" 11/10).

Die Beratung offener Drucksachen aus der letzten Sitzung / den letzten Sitzungen (TOP 5) umfasst zwei Große Anfragen (GA), drei Vorlagen des Bezirksamtes (BA) zur Kenntnisnahme, sieben Beschlussempfehlungen von Ausschüssen und ein Ersuchen.

Im Zentrum der politischen Debatte steht der Antrag der SPD, das BA zu ersuchen, „für die Reinickendorfer Migrantinnen und Migranten eine Beauftragte oder einen Beauftragten für Integration und Migration beim BA einzusetzen“ (Drs.-Nr.:1194/XVIII). In einem Änderungsantrag möchten B90/Grüne und der Einzelverordnete Braun den Integrationsbeauftragten vernünftigerweise beim Bezirksbürgermeister ansiedeln. Der Antrag scheitert ein weiteres Mal an der CDU, nur weil deren Fraktion vollständig anwesend ist. Politisch hat die CDU in der BVV in dieser Frage keine Mehrheit mehr. Angesprochen auf seinen Auftritt im Frauen- und Mädchenbeirat (s. „WiR“ 10/10), zeigt sich Bezirksbürgermeister Balzer hilflos wie selten. CDU-Fraktionschef Schultze-Berndt disqualifiziert sich selbst, indem er die Arbeit der in zehn Berliner Bezirken tätigen Integrationsbeauftragten verunglimpft. (Leider dürfen Besucher der BVV nur kopfschütteln.) SPD-Fraktionschef Brockhausen kontert, verantwortliche Politik für Reinickendorf sehe anders aus. (s. Offenen Brief von Yusuf Dogan an Bezirksbürgermeister Balzer)

Baustadtrat Lambert (CDU) beantwortet die GA der SPD zur „Situation am Halligweg“ (Drs.-Nr.: 1227/XVIII) und zum „Zustand des Märkischen Viertels“ (Drs.-Nr.:1228/XVIII). Einer Antwort, wie das BA die durch die schwarz-gelbe Bundesregierung geplante Halbierung der Mittel für die Städtebauförderung bewertet, weicht der CDU-Politiker aus.

Die BVV lehnt es mit den Stimmen der CDU ab, die Rue Racine als Einbahnstraße auszuweisen (Drs.-Nr.: 1134/XVIII), ersucht stattdessen einstimmig das BA zu prüfen, „mit welchen verkehrsregelnden (-leitenden) oder baulichen Maßnahmen die Sicherheit der Schulkinder in der Rue Racine erhöht werden kann“ (Drs.-Nr.:1187/XVIII).

Keine Zustimmung der anderen Parteien findet der Antrag von B90/Grünen, einen Radfahrstreifen inder Heiligenseestraße durchgehend bis Elchdamm in beiden Richtungen neu zu markieren (Drs.-Nr.:1166/XVIII).

Einstimmig beschließt die BVV, das BA zu ersuchen, „künftig bei Schulneu- und Ergänzungsbauten auf Barrierefreiheit zu achten“ (Drs.-Nr.:1219/XVIII) – nachdem eine solche beim Erweiterungsbau der Chamisso-Grundschule nur teilweise gesichert werden konnte.

Die Vorlage des BA zur Kenntnisnahme „Modell des Bauprojektes Tegeler Insel ausstellen“ , die drei Jahre (!) nach dem Beschluss der BVV (Drs-Nr.:0082/XVIII) erfolgt ist, wird von allen Fraktionen kommentiert. Bei CDU, SPD und FDP erinnert man sich offenbar ungern, dass sie mit ihrer Verkaufsentscheidung seinerzeit den heute beklagten „Trümmerhaufen“ überhaupt ermöglicht haben.

Friedrich Wilhelm